Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Unangenehm für die umsatzsteuerliche Verprobung sind die Fälle, in denen der Unternehmer ertragsteuerlich seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt, er aber die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuert.
In diesen Fällen ist eine Istversteuerung bis zu einem Gesamtumsatz von 600.000 EUR möglich. Unternehmer, die unter die 600.000 EUR-Grenze fallen, werden i. d. R. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 UStG auch ertragsteuerlich ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG und nicht nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln. Soweit allerdings Umsätze aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs erzielt werden, kann auch unabhängig von der Umsatzgrenze die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten beantragt werden.
Ertragsteuerlich sind bei bilanzierenden Unternehmern die Eingangs- und Ausgangsleistungen unabhängig vom Zahlungsfluss zu dem Zeitpunkt zu erfassen, in dem die jeweilige Leistung ausgeführt worden ist. Soweit es bei der Besteuerung der Ausgangsumsätze aber zur Anwendung der Istversteuerung kommt, verbleibt es bei der Erfassung der Umsätze erst im Zeitpunkt des Zahlungszuflusses. Damit sind – bezogen auf die Ausgangsumsätze – Abweichungen zwischen Ertragsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht vorprogrammiert.
Den Zusammenhang verdeutlicht die nachfolgende Übersicht:
Vorgang |
ertragsteuerliche Erfassung |
umsatzsteuerliche Erfassung |
Abweichung |
Leistung ausgeführt in 2023 Zahlungszufluss in 2024 |
2023 |
2024 |
ja |
Leistung ausgeführt in 2024 Zahlungszufluss in 2024 |
2024 |
2024 |
nein |
Leistung ausgeführt in 2024 Zahlungszufluss in 2025 |
2024 |
2025 |
ja |
Leistung ausgeführt in 2025 Zahlungszufluss in 2024 |
2025 |
2024 |
ja |
Damit fallen bis auf die Fälle, in denen Leistungserbringung und Bezahlung im gleichen Veranlagungszeitraum anfallen, die ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Behandlung auseinander. Somit sind auch höhere Anforderungen an die Verprobung der Umsatzsteuer zu stellen.
Die Verprobung kann nach folgendem Berechnungsschema vorgenommen werden (aus Vereinfachungsgründen bleiben innergemeinschaftliche Erwerbe unberücksichtigt):
Umsatzsteuerverprobung bei bilanzierendem Unternehmer und Istversteuerung |
Konto-Nr. |
Kontobezeichnung |
Umsatz (Saldo) |
Steuersatz |
Umsatzsteuer |
|
steuerpflichtige entgeltliche Umsätze |
|
7 % |
|
|
steuerpflichtige entgeltliche Umsätze |
|
19 % |
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steuerpflichtige unentgeltliche Umsätze |
|
7 % |
|
|
steuerpflichtige unentgeltliche Umsätze |
|
19 % |
|
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Summe Umsatzsteuer nach dem"Soll" |
|
|
- Anfangsbestand Kundenforderungen (netto)
|
|
7 % |
|
|
- Anfangsbestand Kundenforderungen (netto)
|
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19 % |
|
|
- Endbestand Kundenforderungen (netto)
|
|
7 % |
– |
|
- Endbestand Kundenforderungen (netto)
|
|
19 % |
– |
|
Summe Umsatzsteuer nach dem"Ist" |
|
|
Summe der gebuchten Umsatzsteuer |
– |
|
Abstimmungsdifferenz |
|
Verprobung bei Bilanzierung und Istversteuerung
Elektroeinzelhändler E aus Leipzig besteuert seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten, ertragsteuerlich aber nach § 4 Abs. 1 EStG. Er möchte seine Umsätze für den Voranmeldungszeitraum Juni 2024 verproben.
In der Finanzbuchhaltung wird die Umsatzsteuer für erbrachte Leistungen auf "noch nicht abzuführende Umsatzsteuer" gebucht. Erst bei Zahlungseingang erfolgt automatisch die Umbuchung in entstandene Umsatzsteuer.
Zur Verprobung der Umsatzsteuer trägt er die Salden der jeweiligen Ertragskonten in die Zusammenstellung ein. Auf dem Umsatzsteuerkonto ist eine Umsatzsteuer i. H. v. 7.016,80 EUR gebucht. Umsätze, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, hat E nicht ausgeführt.
Konto-Nr. |
Kontobezeichnung |
Umsatz (Saldo) |
Steuersatz |
Umsatzsteuer |
|
steuerpflichtige entgeltliche Umsätze |
38.765,68 |
19 % |
7.365,48 |
|
steuerpflichtige unentgeltliche Umsätze |
245,00 |
19 % |
46,55 |
|
Summe Umsatzsteuer nach dem"Soll" |
6.241,68 |
|
Anfangsbestand Kundenforderungen (netto) |
17.550,00 |
19 % |
3.334,50 |
|
Endbestand Kundenforderungen (netto) |
19.630,00 |
19 % |
–3.729,70 |
|
Summe Umsatzsteuer nach dem"Ist" |
7.016,83 |
|
Summe der gebuchten Umsatzsteuer |
–7.016,80 |
|
Abstimmungsdifferenz |
0,03 |
Die Verprobung der Umsatzsteuer ist erfolgreich, da nur eine als Rundungsdifferenz anzusehende Abstimmungsdifferenz vorhanden ist. Darüber hinaus kann auch eine Kontrolle der noch nicht entstandenen Umsatzsteuer erfolgen. Auf dem Konto "noch nicht fällige Umsatzsteuer" muss im Beispielsfall ein Betrag i. H. v. (19.630 EUR × 19 % =) 3.729,70 EUR erfasst sein.
Fehler bei manueller Umsatzsteuerbuchung
Eine etwa vorhandene Abstimmungsdifferenz muss ebenso wie im Grundfall ausgehend vom Umsatzsteuerkonto untersucht werden. Manuelle Buchungen auf dem Umsatzsteuerkonto sind immer besonders fehlerbehaftet, sodass zuerst geprüft werden sollte, ob auf diesen Konten individuelle Buchungen vorgenommen wurden.
Einfachere Verprobung des Vorsteuerabzugs bei Bilanzierung
Allerdings ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG die Verprobung der Vorsteuerbeträge einfacher, da – soweit eine ordnungsgemäße Rechnung in dem Jahr der Leistungserbringung vorliegt – die Vorsteuer nach § 16 Abs. 2 UStG ...