Leitsatz
1. Der Begriff der "Verwaltung" von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL stellt einen autonomen Begriff des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können.
2. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" im Sinn dieser Bestimmung die Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Sondervermögen durch einen außen stehenden Verwalter fallen, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind.
Dagegen fallen unter diesen Begriff nicht die Leis?tungen, die den Aufgaben einer Verwahrstelle i.S.d. Art. 7 Abs. 1 und 3 und Art. 14 Abs. 1 und 3 der RL 85/611/EWG des Rats vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) entsprechen.
Normenkette
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG)
Sachverhalt
Es ging um die Besteuerung in einem Fall von Leistungen der Verwahrstellen einer Reihe zugelassener Investmentfonds in Form eines "Trust" ("authorised unit trusts") und einer offenen Investmentgesellschaft ("Open-ended investment company", im Folgenden: OEIC) und im anderen Fall von administrativen und buchhalterischen Leistungen, die eine dritte Gesellschaft nach Auslagerung durch die Verwaltungsgesellschaft einer OEIC erbringt.
Entscheidung
Es obliegt dem nationalen Gericht festzustellen, ob die in den Praxis-Hinweisen geschilderten Kriterien erfüllt sind.
Hinweis
1. Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 ist befreit: "die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften".
Die Mitgliedstaaten dürfen nur den Begriff der Sondervermögen, nicht dagegen den der "Verwaltung" definieren. Die Vorschrift betrifft die von Kapitalanlagegesellschaften verwalteten Sondervermögen unabhängig von deren Rechtsform. Die Art der Leistung (nicht deren Empfänger) ist maßgebend.
2. Ziel der Regelung ist, Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern (Neutralität in Bezug auf die Wahl zwischen Geldan?lage in Wertpapieren und Einschaltung von "Organismen" für die gemeinsame Anlage). Die Regelung betrifft deshalb nur die für diese Organismen spezifischen Tätigkeiten.
3. Darunter fallen nur solche, die in der Anlage II zur RL 85/611/EWG unter der Überschrift "Administrative Tätigkeiten" erfasst sind. Diese Richtlinie betrifft die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW); sie definiert OGAW als Organismen, "deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikobetreuung in Wertpapieren anzulegen und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden ...". Die OGAW können "die Vertragsform (von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form des Trust (,unit trust`) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft)" haben.
Die OGAW müssen für die erforderliche Zulassung u.a. eine Verwahrstelle haben; diese hat Kontrollfunktion. Die hierfür in der Anlage II beschriebenen Tätigkeiten sind nicht nach Nr. 6 befreit.
4. Die administrative und buchhalterische Verwaltung der Fonds kann einem außenstehenden Verwalter übertragen werden; sie lässt sich auch aufteilen in verschiedene Dienstleistungen, die auch noch befreit sein können, wenn sie ausgelagert sind, Voraussetzung ist,
- dass die ausgelagerten Dienstleistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in Nr. 6 beschriebenen Leistung erfüllt,
- dass sie spezifische und wesentliche Elemente der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften aufweisen.
Die rein materiellen oder technischen Dienstleistungen wie z.B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems werden von Nr. 6 nicht erfasst.
Diese Kriterien gelten sinngemäß für die Beurteilung ausgelagerter Umsätze bei anderen Befreiungstatbeständen, wie der Hinweis des EuGH auf bisherige Urteile zu dieser Frage deutlich macht.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 4.5.2006, Rs. C-169/04 – Abbey National plc und Inscape Investment Fund –