Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Bei medizinisch indizierten fußpflegerischen Leistungen i.S.d. § 3 PodG, die Podologen erbringen, handelt es sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, während "selbstindizierte" Behandlungen keine Heilbehandlungen sind.
2. Als Nachweis des therapeutischen Zwecks von Leistungen können nicht nur ärztliche Verordnungen in Form eines Kassen- oder Privatrezepts dienen, sondern auch andere Unterlagen, die zum therapeutischen Zweck eine vergleichbare Aussagekraft wie ärztliche Verordnungen haben und von Personen stammen, die zur Feststellung des therapeutischen Zwecks befähigt sind.
3. Der Nachweis des therapeutischen Zwecks einer Leistung muss grundsätzlich für jede Leistung gesondert erbracht werden.
Normenkette
§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, § 3 PodG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, betreibt medizinische Fußpflege durch ihre beiden Gesellschafterinnen (zwei zugelassene Podologinnen); die Leistungen umfassten das fachgerechte Schneiden der Nägel und das Entfernen der Hornhaut. Die Behandlungen erfolgten teilweise auf der Grundlage von ärztlichen Verordnungen und teilweise ohne Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers.
Die Klägerin sah ihre Leistungen ausnahmslos als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen an. Dem folgte das FA nicht.
Die Klage hatte Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 5.2.2014, 4 K 75/12, Haufe-Index 6580855, EFG 2014, 590). Das FG entschied, die Leistungen der Klägerin seien überwiegend gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG als Heilbehandlungen steuerfrei; die Umsatzsteuer auf die verbleibenden Umsätze werde gemäß der Regelung über die Besteuerung von Kleinunternehmern in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht erhoben.
Entscheidung
Die Revision des FA war begründet; sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil das FG § 3 PodG und damit den Umstand nicht beachtet hatte, dass fußpflegerische Leistungen durch Podologen auch anderen als therapeutischen Zwecken dienen können und deshalb in jedem Einzelfall entsprechende medizinische Feststellungen von dazu befähigtem Fachpersonal zu treffen sind.
Der BFH legte im Einzelnen dar, dass nur bestimmte Leistungen von Podologen umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen sind (Leitsatz 1). Zum Nachweis des dazu erforderlichen therapeutischen Zwecks der Leistungen hat der BFH die Leitsätze 2 und 3 aufgestellt.
Die dazu erforderlichen Feststellungen muss das FG im zweiten Rechtsgang nachholen.
Hinweis
Der Gesetzgeber hat in § 3 PodG die Aufgabenstellung des Podologen sowie das Ausbildungsziel wie folgt definiert:
"Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs insbesondere dazu befähigen, durch Anwendung geeigneter Verfahren nach den anerkannten Regeln der Hygiene allgemeine und spezielle fußpflegerische Maßnahmen selbstständig auszuführen, pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen, unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mitzuwirken (Ausbildungsziel)."
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.10.2014 – XI R 13/14