Leitsatz
Leistungen, die ein Erschließungsträger in der Rechtsform einer GmbH zur Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen bezieht, werden für die durch Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB geschuldete Erschließungsleistung dieser GmbH verwendet.
Normenkette
§ 10 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1993, Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL, § 123, § 124 BauGB
Sachverhalt
Eine Erschließungs-GmbH (Klägerin) erwarb von der Gemeinde (Mehrheitsgesellschafterin) Grundbesitz im Erschließungsgebiet (Gewerbegebiet) zu einem Festpreis. Sie verpflichtete sich zu dessen Erschließung und zur Rückübertragung der Flächen mit den öffentlichen Erschließungsanlagen zum gleichen Preis. Die Kosten der Erschließung sollte die Klägerin tragen. Einen Ausgleich für die Wertsteigerung aufgrund der Erschließung sollte sie nicht erhalten. Die Gemeinde leitete dafür aufgrund einer weiteren Vereinbarung einen ihr, der Gemeinde, gewährten "Zuschuss" mit der Verpflichtung, die Zuschussbedingungen einzuhalten, an die Klägerin weiter.
Die für gewerbliche Investoren verbleibenden Grundstücke veräußerte die Klägerin steuerpflichtig. Das FA ließ den Vorsteuerabzug nur zu, soweit er auf Betriebsvorrichtungen entfalle, und erfasste den Zuschuss als Entgelt für die Erschließung. Das FG meinte, die Vorsteuerbeträge seien "wirtschaftlich" den gewerblichen Grundstücken zuzuordnen. Der "Zuschuss" sei Entgelt für die Übernahme der Erschließung.
Entscheidung
Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden, weil der Zeitpunkt, in dem die Erschließungsanlagen geliefert worden sind, nicht feststand (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Hierfür kann als Indiz die Abnahme von Bedeutung sein. Auch waren Unstimmigkeiten bei der Rechnung noch zu berücksichtigen. Dass in die Bemessungsgrundlage für die Übertragung der Grundstücke an die Investoren die Hälfte der GrESt nicht einzubeziehen ist, hat der BFH bereits im Urteil in BFH-PR 2006, 283 entschieden.
Hinweis
Bei Erschließungsmaßnahmen der Gemeinden herrscht das Bestreben: optimaler Vorsteuerabzug bei minimaler Besteuerung. Häufig werden zweckgebundene Fördermittel, die die Gemeinden erhalten, an den Erschließungsträger "weitergeleitet". Die Vertragsgestaltungen sind unterschiedlich; dementsprechend können die steuerrechtlichen Folgen unterschiedlich sein. Der BFH hatte sich mit einer Variante im Tatsächlichen im Urteil vom 20.12.2005, V R 14/04 (BFH-PR 2006, 283) befasst. Ist die Würdigung der vertraglichen Vereinbarungen möglich (vgl. dazu z.B. Gräber/Ruban, FGO, § 118 Rz. 24), bindet sie den BFH.
Dies vorausgeschickt, gilt für den Vorsteuerabzug: Die Zurechnung von mit Vorsteuerbeträgen belasteten Leistungsbezügen zu Verwendungsumsätzen nach "dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen" – so das FG – widerspricht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Entscheidend ist allein, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, besteht.
Für Leistungen im Zusammenhang mit einem "Zuschuss" gilt: Zu prüfen ist, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Zuschuss besteht. Eine entgeltliche Leistung setzt einen identifizierbaren Leistungsempfänger voraus; er muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. In Fällen, in denen ein anderer Unternehmer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung ("Zuschuss") verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung richtet. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor.
Übernimmt ein Unternehmer für die Gemeinde die Erschließung und erhält er hierzu zweckgebundene Mittel, wird dies i.d.R. als entgeltliche Geschäftsbesorgung (vgl. § 124 Abs. 1 BauGB) zu verstehen sein. Davon ging zu Recht auch das FG im Besprechungsfall aus – anders als das FG in dem im Urteil vom 20.12.2005, V R 14/04 (BFH-PR 2006, 283) entschiedenen Sachverhalt.
Ist die Gemeinde Gesellschafter des Erschließungsunternehmers – wie im Besprechungsfall – und deckt der "Zuschuss" die Erschließungskosten nicht ab, bemisst sich die Erschließungsleistung nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG nach den Kosten, die bei Ausführung dieses Umsatzes entstanden sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.11.2006, V R 9/04