BMF, Schreiben v. 16.3.2011, IV D 2 - S 7500/0 :003
Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. hatte sich zur Klärung verschiedener Auslegungs- und Anwendungsfragen auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts an den Leiter der Steuerabteilung im Bundesministerium der Finanzen gewandt.
Die Umsatzsteuer besitzt gerade im täglichen Massengeschäft eine erhebliche Bedeutung. Alle Rechtsanwender in Wirtschaft und Verwaltung sind auf verlässliche Regelungen angewiesen. Es ist daher allgemeine Praxis der Finanzverwaltung, auf schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen besondere Rücksicht zu nehmen und Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) oder des BFH, die von einer bis dahin vertretenen Verwaltungsauffassung abweichen, grundsätzlich nur für die Zukunft anzuwenden. Hiervon ausgehend wird zu den aufgeworfenen Einzelfragen wie folgt Stellung genommen.
1. Ist-Besteuerung bei freiwillig bilanzierenden Freiberuflern
Mit Urteil vom 22.7.2010, V R 4/09 hat der BFH entschieden, dass eine steuerberatend tätige und zur Buchführung verpflichtete GmbH nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG berechtigt ist. Das Urteil bestätigt insoweit die in Abschnitt 20.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE niedergelegte Verwaltungsauffassung. In den Urteilsgründen führt der BFH weiterhin aus, dass es mit dem Normzweck nicht zu vereinbaren wäre, allein auf eine bestehende Buchführungspflicht abzustellen und unberücksichtigt zu lassen, ob der Unternehmer für die § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegenden Umsätze auf freiwilliger Grundlage Bücher führt. Die Gewährung der Ist-Versteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kommt nach Ansicht des Gerichts auch bei Fehlen einer Buchführungspflicht nicht in Betracht, wenn der Unternehmer für die in der Vorschrift genannten Umsätze freiwillig Bücher führt. Soweit die Entscheidung der bisherigen Verwaltungspraxis widerspricht, wird sie nur für die Zukunft Anwendung finden. Die Einzelheiten werden derzeit mit den Ländern erörtert.
2. Unternehmerbescheinigungen
Es gibt keine bundeseinheitlichen Vordrucke, in denen das FA einem Unternehmer seine Unternehmereigenschaft zur Vorlage bei dessen Leistungsempfänger bestätigt. Die von der OFD Magdeburg in der von Ihnen genannten Verfügung aufgeführten Bescheinigungen werden für andere Zwecke ausgestellt, und zwar:
- die Unternehmerbescheinigung zur Vorlage bei einer Finanzbehörde in einem Drittstaat für die Vergütung von Vorsteuern (Vordruck USt 1 TN),
- die Bescheinigung über die Ansässigkeit des Auftragnehmers (= Leistungsempfängers) im Inland zur Vorlage beim leistenden Unternehmer (USt 1 TS),
- die Bestätigung des Finanzamts zur Vorlage beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) für Zwecke der Erteilung einer USt-IdNr., dass der Antragsteller beim FA für umsatzsteuerliche Zwecke geführt wird.
Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn derartige Bescheinigungen nur für die gedachten Zwecke ausgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Bestätigungen des Finanzamts zur Vorlage beim BZSt auf Grund von Änderungen im Verwaltungsablauf nur noch in Ausnahmefällen ausgestellt werden.
Sicherlich kann der leistende Unternehmer die vorgenannten Bescheinigungen auch gegenüber seinem Abnehmer bzw. Leistungsempfänger verwenden. Sie können von diesem aber allenfalls als Anzeichen dafür verwendet werden, dass der leistende Unternehmer ein Unternehmer ist. Sie haben aber keine Beweiskraft und schaffen auch keinen Vertrauenstatbestand, dass der Leistende zur Ausstellung von Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer berechtigt ist.
3. Rechnungskorrektur
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.7.2010, C-368/09, erörtert. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Europäische Gerichtshof nicht entschieden habe, dass eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt. An der bestehenden Verwaltungsauffassung wird daher festgehalten.
4. Warengutscheine
Die Folgerungen aus dem EuGH-Urteil „Astra Zeneca” wurden mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erörtert. Im Ergebnis kam man überein, dass von Seiten der Finanzverwaltung derzeit keine Konsequenzen aus dem Urteil für die deutsche Rechtslage und die bestehende Praxis im Umgang mit Nennwertgutscheinen gezogen werden. Die Erörterungen werden – unter Einbeziehung der europäischen Ebene – fortgesetzt.
5. Dauerfristverlängerung – Erstattung von Guthaben
Auch wenn das BFH-Urteil vom 16.12.2008, VII R 17/08, bereits im BStBl 2010 Teil II S. 91 veröffentlicht worden ist, werden die – auch von Ihnen dargestellten – Probleme bei der praktischen Anwendung dieser Rechtsprechung derzeit noch vertieft geprüft. Das Urteil wird deshalb nicht vor dem 1.1.2012 umgesetzt werden.
Im Übrigen ist vorgesehen, dass die Spitzenverbände – entsprechend dem Verfahren bei den früheren Umsatzsteuer-Richtlinien – auch beim Umsatzsteuer-Anwendungserlass beteiligt werden.
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