Leitsatz

Tätigkeiten eines Rechtsanwalts als Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG, als Verfahrenspfleger in Betreuungssachen und in Unterbringungssachen sind keine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen.

 

Sachverhalt

Der Kläger erbrachte in den Streitjahren 2010 bis 2015 neben seiner Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt Leistungen als Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen (§ 158 FamFG), als Verfahrenspfleger in Betreuungssachen (§ 276 FamFG) sowie in Unterbringungssachen (§ 314 FamFG), als Umgangspfleger (§ 1684 Abs. 3 BGB) sowie als Organisator (Reiseveranstalter von Ferienlagern für Kinder). Gestritten wurde darüber, ob die vom Kläger neben seiner selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit ausgeübten Tätigkeiten nach nationalem Recht oder Unionsrecht umsatzsteuerbefreit sind.

 

Entscheidung

Nach Ansicht des Sächsischen FG handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Leistungen des Klägers als Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG sind, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgegangen waren, auch nicht nach § 4 Nr. 25 UStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen steuerfrei, sodass auch eine Umsatzsteuerfreiheit nach nationalem Recht ausscheidet. Bei den streitigen Leistungen des Klägers handele es sich weder um solche nach § 2 Abs. 2 SGB VIII oder nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII in Verbindung mit § 42 SGB VIII noch um solche, die in § 4 Nr. 25 Satz 3 UStG ausdrücklich aufgeführt sind. Auch die mit Wirkung vom 1.7.2013 eingeführte Steuerbefreiung des § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. c UStG ist nicht einschlägig, weil der Kläger weder als Vormund nach § 1773 BGB noch als Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellt worden ist. Für die Tätigkeit als Reiseveranstalter für Ferienfreizeiten ergibt sich keine Umsatzsteuerbefreiung nach nationalem Recht, weil der Kläger nicht zu den in § 4 Nr. 25 Satz 2 UStG aufgeführten Einrichtungen mit sozialem Charakter gehört.

 

Hinweis

Die Revision wurde erst vom BFH im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zugelassen. Dies offenbar vor dem Hintergrund, dass der BFH, Urteil v. 17.7.2019, V R 27/17 (nach Ergehen der hier besprochenen Entscheidung des Sächsischen FG), bereits entschieden hat, dass sich ein nach § 158 FamFG gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen kann. Ob das BFH-Urteil auch für die Tätigkeit eines Verfahrenspflegers gilt, der sich um die rechtliche Betreuung von Volljährigen kümmert, bleibt abzuwarten, da es insoweit womöglich an der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern fehlt. Das Revisionsverfahren zu dem Urteil des Sächsischen FG beim BFH ist anhängig, Az beim BFH V R 34/19.

Hinweis: Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass verweist derzeit – entgegen der BFH-Rechtsprechung – noch darauf, dass für die Tätigkeit von Verfahrensbeiständen (und auch von Verfahrenspflegern) keine Umsatzsteuerbefreiung gewährt wird (vgl. Abschn. 4.25.2 Abs. 9 UStAE).

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil v. 04.04.2019, 4 K 1673/15

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