BMF, Schreiben v. 15.12.2010, IV D 3 - S 7160-g/10/10001, BStBl I 2010, 1502
Bezug: Urteil des BFH vom 10.2.2010, XI R 49/07
Mit Urteil vom 10.2.2010, XI R 49/07 (das Urteil wird zeitgleich im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht), hat der BFH entschieden, dass die Garantiezusage eines Autoverkäufers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl einen Reparaturanspruch gegenüber dem Verkäufer oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer erhält, steuerpflichtig ist (Änderung der Rechtsprechung in Bezug auf die in dem BFH-Urteil vom 16.1.2003, V R 16/02, BStBl 2003 II S. 445, vertretene Auffassung).
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt insoweit Folgendes:
Die Garantiezusage eines Autoverkäufers, die beim Verkauf eines Kfz gegen gesondert vereinbartes und berechnetes Entgelt angeboten wird, stellt keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine selbständige Leistung des Händlers dar. Die umsatzsteuerliche Behandlung dieser Leistung hängt maßgeblich von der Ausgestaltung der Garantiebedingungen ab. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen der Verschaffung von Versicherungsschutz durch einen Unternehmer, der mit einem Versicherer einen Vertrag zugunsten eines Dritten (Käufer) abschließt, und nach dem der Dritte die aus dem Versicherungsvertrag resultierenden Ansprüche auf Schadensregulierung stets unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend macht und der Garantiezusage eines Autoverkäufers, der dem Käufer (gegen Entgelt) nach dessen Wahl einen Reparaturanspruch oder einen Reparaturkostenersatzanspruch anbietet:
1. Verschaffung von Versicherungsschutz verbunden mit der unmittelbaren Inanspruchnahme des Versicherers durch den Käufer
Müssen Ansprüche aus der versicherten Händlergarantie vom Käufer stets und nicht nur bei der Reparatur durch eine Fremdwerkstatt „ausschließlich und unmittelbar” gegenüber der Versicherungsgesellschaft geltend gemacht werden, erbringt der Autohändler eine nach § 4 Nummer 10 Buchstabe b UStG steuerfreie Leistung, die darin besteht, dass er dem Käufer Versicherungsschutz verschafft (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.2002, V R 67/01, BStBl 2003 II S. 378).
Im diesem Fall erbringt der Händler mit der Beseitigung eines Schadens eine steuerpflichtige Leistung an den Käufer des Kfz. Bei garantiebedingter Reparatur durch eine Drittwerkstatt liegt ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch zwischen dieser Werkstatt und dem Käufer vor. Dies gilt auch bei unmittelbarer Zahlung der Reparaturkosten durch die Versicherung an die Werkstatt im abgekürzten Zahlungsweg.
2. Wahlrecht zwischen Reparaturanspruch und Reparaturkostenersatzanspruch
Bei einer Garantiezusage, nach der dem Käufer eines Kfz (Garantienehmer) ein Wahlrecht in der Weise eingeräumt wird („Kombinationsmodell”), dass es in seinem Belieben steht, im Schadensfall entweder die Reparatur durch seinen Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder den durch den Händler darüber hinaus verschafften Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen und die Reparatur durch einen anderen Vertragshändler ausführen zu lassen (Reparaturkostenersatzanspruch), handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art i.S. des § 3 Abs. 9 UStG und nicht um zwei selbständige Leistungen.
Diese sonstige Leistung eigener Art ist entgegen der früheren Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 16.1.2003, V R 16/02, BStBl 2003 II S. 445), nicht nach § 4 Nummer 8 Buchstabe g UStG und/oder nach § 4 Nummer 10 Buchstabe b UStG steuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig.
Denn aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist diese Leistung nicht durch die gemäß § 4 Nummer 10 Buchstabe b UStG steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers (Garantie) geprägt (Änderung der Rechtsprechung).
Die Garantiezusage ist auch nicht nach § 4 Nummer 8 Buchstabe g UStG steuerfrei. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 19.4.2007, C-455/05 (Velvet & Steel Immobilien), zu der § 4 Nummer 8 Buchstabe g UStG zugrunde liegenden Richtlinienbestimmung des Artikels 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie (seit 1.1.2007: Artikel 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) entschieden, dass der gemeinschaftsrechtliche Begriff der „Übernahme von Verbindlichkeiten” dahin auszulegen sei, dass er andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, vom Anwendungsbereich der Bestimmung ausschließe. Entsprechendes gilt somit hinsichtlich der Verpflichtung eines Autoverkäufers zur Durchführung der Reparatur.
Sofern der Händler den Schaden an dem Kfz selbst beseitigt, kommt er mit der Reparatur seiner Garantieverpflichtung gegenüber dem Käufer des Kfz nach. Eine weitere Leistung gegenüber dem Käufer (Garantienehmer) liegt hier nicht vor. Der Vorsteuerabzug aus den Eingangsumsätzen, die für derartige Reparaturen verwendet werden (Gemeinkosten, Ersatzteile), ist hierbei nach § 15 Absatz 1 UStG ...