Leitsatz
1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.
2. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft.
3. Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art. 11 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), §§ 270ff., 276a InsO
Sachverhalt
Die Klägerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH und J-GmbH. Mit Ausnahme der J-GmbH war der Geschäftsführer A der Klägerin bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Klägerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C.
Für den Zeitraum bis zum 1.5.2012 gingen die Klägerin und das FA übereinstimmend davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Klägerin waren.
Das zuständige Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und zeitgleich auch für die sechs Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren ordnete das Insolvenzgericht Eigenverwaltung an, bestellte P jeweils zum Sachwalter und setzte Gläubigerausschüsse ein. In allen Eröffnungsbeschlüssen ordnete es an, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese zu erfolgen haben.
Die für die Klägerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das FA in der Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am 5.7.2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Mai 2012 gegenüber der Klägerin.
Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, dass die Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften auch nach der Insolvenzeröffnung fortbestanden habe (Hessisches FG, Urteil vom 15.2.2016, 6 K 2013/12, Haufe-Index 9460296, EFG 2016, 863).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Klage statt. Entgegen dem Urteil des FG habe die Organschaft mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögensmassen des Organträgers und der Organgesellschaften geendet. Dem stehe die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren nicht entgegen.
Hinweis
1. Der BFH geht davon aus, dass die Organschaft sowohl mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers als auch mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft endet.
Entscheidend ist hierfür, dass es nur umsatzsteuerrechtlich zu einer Zusammenfassung von Organträger und Organgesellschaft kommt, während es insolvenzrechtlich nach dem Grundsatz der Einzelverfahren – und ohne Möglichkeit einer Konzerninsolvenz mit einer einheitlichen Masse für den gesamten Konzern – bei der Einzelbetrachtung mit der Folge mehrerer getrennter Insolvenzverfahren bleibt.
2. Kommt es nur zu einer Insolvenzeröffnung beim Organträger, steht dem Fortbestand der Organschaft entgegen, dass das FA den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Organträgers handelt.
An einer derartigen Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO fehlt es in Bezug auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft.
Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit dieser Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des bisherigen Organträgers bezieht und sich nicht auf das Vermögen der bisherigen Organgesellschaften erstreckt. Zur Insolvenzmasse des Organträgers gehört nur seine Beteiligung an der Organgesellschaft, nicht aber auch das Vermögen der Organgesellschaft.
3. Auch bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft entfällt die für die Organschaft erforderliche Eingliederung. Dies gilt gleichermaßen für Insolvenzverfahren mit der Einsetzung eines Insolvenzverwalters als auch für die sog. Eigenverwaltung.
a) Bestellt das Insolvenzgericht im Verfahren einen Insolvenzverwalter, beruht dies darauf, dass das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht. Damit entfällt die Eingliederung, wobei noch nicht entschieden ist, ob sie in finanzieller und/oder in organisatorischer Hinsicht endet.
b) Die Eingliederung entfällt auch, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO anordnet, da dann die finanzielle Eingliederung endet. Zwar ist der Schuldner und damit die Organgesellschaft gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über si...