BMF, Schreiben v. 5.5.2014, IV D 2 - S 7105/11/10001/IV D 2 - S 7105/13/10003, BStBl I 2014, 820
Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises (Konsequenzen der EuGH-Urteile vom 9.4.2013, C-85/11, und vom 25.4.2013, C-480/10); Konsequenzen des BFH-Urteils vom 8.8.2013, V R 18/13, sowie der Beschlüsse vom 11.12.2013, XI R 17/11 und XI R 38/12; Änderung der Regelungen zur organisatorischen Eingliederung in Abschnitt 2.8 UStAE
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Folgendes:
I. Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises (Konsequenzen der EuGH-Urteile vom 9.4.2013, C-85/11, und vom 25.4.2013, C-480/10)
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Eine Eingliederung von Nichtunternehmern in Organkreise ist ausgeschlossen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht – auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 9.4.2013, C-85/11 – im Einklang mit Artikel 11 MwStSystRL. Nach Auffassung des EuGH geht aus Artikel 11 Abs. 1 MwStSystRL nicht hervor, dass nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, dass Nichtunternehmer zwingend in die Regelungen zur Organschaft einzubeziehen sind. Vielmehr können die Mitgliedstaaten – wenn sie von der Option des Artikels 11 MwStSystRL Gebrauch machen – auch Nichtunternehmer in eine Mehrwertsteuergruppe einbeziehen; sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Dies ergibt sich auch aus dem EuGH-Urteil vom 25.4.2013, C-480/10, wonach die Mitgliedstaaten eine Umsetzung von Artikel 11 Abs. 1 MwStSystRL auf bestimmte Personen beschränken können.
Der Ausschluss von Nichtunternehmern durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beruht auf Artikel 11 Abs. 2 MwStSystRL, wonach ein Mitgliedstaat, der die Gruppenregelung umgesetzt hat, die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen. Die nationale Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer verhindert, dass durch Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuersystems insbesondere der Vorsteuerabzug entgegen der Bestimmungen des § 15 UStG auf von diesem Personenkreis bezogene Leistungen missbräuchlich ausgeweitet wird.
Im Übrigen bleibt der Ausgang der vom BFH in den Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/12 dem EuGH vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen (siehe Abschnitt II) abzuwarten.
II. Konsequenzen des BFH-Urteils vom 8.8.2013, V R 18/13, sowie der Beschlüsse vom 11.12.2013, XI R 17/11 und XI R 38/12
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kommt es für die Annahme der organisatorischen Eingliederung darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet. Mit Urteil vom 8.8.2013, V R 18/13, hat der BFH seine Rechtsprechung geändert. Danach ist es für die organisatorische Eingliederung nicht ausreichend, dass die Muttergesellschaft lediglich sicherstellt, dass eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung bei der Tochtergesellschaft nicht stattfindet. Vielmehr muss sie in der Lage sein, ihren Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. In Insolvenzfällen endet die organisatorische Eingliederung, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Darüber hinaus hat der BFH mit Beschlüssen vom 11.12.2013 die Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/12 (die Beschlüsse werden zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht) ausgesetzt und dem EuGH die folgenden Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
- Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?
- Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer...