OFD München, Verfügung v. 23.4.2002, S 2174 - 34 St 41/42
Es ist die Frage gestellt worden, ob ein Lebensmittelkonzern aufgrund der mit der Umrechnung der Verkaufspreise auf Euro im Zusammenhang stehenden Herabsetzung auf sog. Schwellenpreise zum 31.12.2001 Teilwertabschreibungen auf den Warenbestand vornehmen kann.
Unter Schwellenpreisen versteht man Preise, die nicht auf volle Zehn-Pfennig- oder volle DM-Beträge lauten, sondern – um einen Kaufanreiz zu bieten – jeweils 0,01 DM darunter liegen, so z.B. 0,99 DM statt 1,00 DM oder 1,19 DM statt 1,20 DM. Der Konzern beabsichtigt aus Wettbewerbsgründen, nicht lediglich die bisherigen Verkaufspreise in Euro umzurechnen, sondern für die betreffenden Waren neue Schwellenpreise festzulegen, welche die bisherigen Verkaufspreise unterschreiten (z.B. bisheriger Verkaufspreis 1,19 DM = 0,608 EUR, Herabsetzung auf einen neuen Schwellenpreis von 0,59 EUR = 1,1539 DM).
Nach Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist die Auffassung zu vertreten, dass Teilwertabschreibungen auf den Warenbestand zum 31.12.2001 nicht allein deshalb zu rechtfertigen sind, weil Unternehmen im Zuge der Umstellung auf den Euro die bisherigen DM-Verkaufspreise für ihre Waren nicht exakt in Euro umrechnen, sondern aufgrund kaufmännischer Erwägungen auf niedrigere „Euro-Schwellenpreise” herabsetzen.
Der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren hängt zwar nicht nur von ihren Wiederbeschaffungskosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös ab. Deckt dieser Preis nicht mehr die Selbstkosten zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns, so sind die Anschaffungskosten um den Fehlbetrag zu mindern. Bei Waren spricht jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Vermutung dafür, dass ihr Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten, später den Wiederbeschaffungskosten entspricht. Sind die Wiederbeschaffungskosten der Waren nicht gesunken, ist deshalb zu vermuten, dass der Teilwert nicht niedriger als die ursprünglichen Anschaffungskosten ist. Ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens, mit dessen Verkauf wirtschaftliche Vorteile für das Unternehmen im Ganzen verbunden sind, ist auch dann mit den Anschaffungskosten und nicht mit einem niedrigeren Teilwert zu bewerten, wenn der Verkaufspreis bewusst nicht kostendeckend kalkuliert ist (sog. Verlustprodukt). Das gilt jedenfalls dann, wenn das Unternehmen Gewinne erzielt. Die Berücksichtigung des mit dem Verlustprodukt verbundenen Erfolgsbeitrags für das Unternehmen bei der Bewertung dieses Wirtschaftsguts verstößt, auch wenn es sich dabei um geschäftswertbeeinflussende Umstände handelt, nicht gegen den Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 29.4.1999, IV R 14/98, BStBl 1999 II S. 681).
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Auch hier handelt es sich bei der Preisherabsetzung um eine Maßnahme, die allein auf kaufmännischen Überlegungen beruht und die ein Erwerber des Betriebs, der ihn in dieser Form zunächst fortfährt, ebenfalls vornehmen würde. Im Hinblick auf die Konkurrenzsituation im Lebensmitteleinzelhandel ist davon auszugehen, dass auch Mitbewerber am Markt sich von denselben Vorstellungen leiten lassen und im Interesse des Gesamtunternehmens unter Rentabilitätsgesichtspunkten diese Verluste in Kauf nehmen würden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2