Leitsatz
1. Eine vorbeugende Unterlassungsklage kann nach ihrer Erledigung als Feststellungsklage zulässig bleiben, wenn es prozessökonomisch sinnvoll ist, die maßgebliche Rechtsfrage in dem bereits anhängigen und aufwändig betriebenen Verfahren zu klären. Der Kläger ist trotz Schaffung vollendeter Tatsachen in dem noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren zu halten.
2. Gegen die Androhung eines Auskunftsersuchens an Dritte gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO ist sowohl eine vorbeugende Unterlassungsklage als auch einstweiliger Rechtsschutz nach § 114 FGO möglich.
3. Ein Auskunftsersuchen der Finanzbehörde gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO ist bereits möglich, wenn es aufgrund konkreter Umstände angezeigt ist, weitere Auskünfte auch bei Dritten einzuholen.
Normenkette
§ 93 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 162 Abs. 2 Satz 2 AO, § 41 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 76 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 Satz 4, § 114 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt eine Apotheke. Im Rahmen einer Außenprüfung verprobte das FA die Rohgewinnsätze und stellte Differenzen fest. Daraufhin forderte es die Klägerin mehrfach zur Vorlage der Daten seitens der Rezeptabrechnungsstelle (R) für jedes einzelne Rezept in digitaler Form auf. Dem kam die Klägerin jedoch nicht nach. Daraufhin kündigte das FA an, die einzelnen Rezepte unmittelbar bei R anzufordern. Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin wegen des "beabsichtigten Auskunftsersuchens" sah das FG zwar als zulässig an, da es sich um eine vorbeugende Unterlassungsklage handele. Die Klage sei aber unbegründet (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.3.2019, 9 K 9069/18, Haufe-Index 13319069, EFG 2019, 1430). Während des Revisionsverfahrens hat das FA das angekündigte Auskunftsersuchen vollzogen und zwischenzeitlich von R einen Datenträger erhalten. Die Klägerin macht im Rahmen des Revisionsverfahrens die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel geltend.
Entscheidung
Die Revision war zwar zulässig, da die Klägerin berechtigt war, ihr Klagebegehren, die Rechtswidrigkeit der Androhung des Auskunftsersuchens feststellen zu lassen, im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO weiterzuverfolgen. Die Revision war aber unbegründet, da die Androhung des Auskunftsersuchens im Streitfall rechtmäßig war. Das FA durfte im Rahmen der Außenprüfung zu der Einschätzung gelangen, die erbetenen Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen.
Hinweis
1. Wird von dem Betriebsprüfer ein Auskunftsersuchen an Dritte als Vorbereitungshandlung angedroht, liegt hierin – anders als beim (nachfolgenden) Auskunftsersuchen gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO – kein Verwaltungsakt. In diesem Fall kann der Betroffene im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage gerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Er kann nicht darauf verwiesen werden, erst gegen das Auskunftsersuchen oder gegen die Steuerbescheide, die Erkenntnisse des Auskunftsersuchens beinhalten, vorzugehen.
2. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten stehen dem Betroffenen aber zur Verfügung, wenn das FA während des laufenden Verfahrens das Auskunftsersuchen vollzieht und sich damit die vorbeugende Unterlassungsklage erledigt?
3. Die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO scheidet aus, da diese ein Unterfall der Anfechtungs- und der Verpflichtungsklage ist. Die vorbeugende Unterlassungsklage ist hingegen ein Unterfall einer Leistungsklage.
4. Es ist bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage aber möglich, das Verfahren als Feststellungsklage weiterzuverfolgen, da das Klageinteresse bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage so zu verstehen ist, dass stets auch die gerichtliche Überprüfung und Feststellung der Rechtmäßigkeit eines vom FA geplanten Handelns begehrt wird.
5. Der Übergang von einer Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar, weil es sich lediglich um eine Einschränkung der allgemeinen Leistungsklage handelt.
6. Die Feststellungsklage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO zulässig, wenn weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dieses ist gegeben, wenn mittels einer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden kann und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
7. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO verankerte Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen, da diese Vorschrift – wie die vergleichbare Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO – ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden ist.
8. Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sac...