Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
2.1 Allgemeine Voraussetzungen
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastungen), wird die Einkommensteuer auf Antrag nach näherer Maßgabe des § 33 Abs. 3 EStG ermäßigt.
Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten dieser Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlte; maßgebend ist vielmehr die Verkehrsanschauung.
Abzugsverbot beachten
Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, können nach § 33 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung im Schrifttum gilt das Abzugsverbot absolut, so dass auch solche Aufwendungen, die "ihrer Natur nach" zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, aber nicht oder nur beschränkt abziehbar sind, von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen werden. Das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 und 9 EStG allerdings nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.
2.2 Krankheitskosten
Der Begriff der Krankheit setzt einen anormalen, regelwidrigen (körperlichen, geistigen oder seelischen) Zustand voraus, erschöpft sich darin jedoch nicht. Wesentlich ist vielmehr auch die Auffassung der Gesellschaft und der jeweiligen Rechtskultur, die regelwidrige körperliche (geistige, seelische) Zustände oder Erscheinungen in einer unter Umständen dem geschichtlichen Wandel unterworfenen Weise unterschiedlich bewertet.Krankheitskosten gehören regelmäßig zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Aufwendungen zur Beseitigung von Umweltbelastungen, die Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs betreffen und von denen zumindest eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen ausgeht, unterfallen allerdings nicht dem in ständiger Rechtsprechung entwickelten Begriff der Krankheitskosten.
Gleichwohl können Aufwendungen nach § 33 EStG auch dann steuermindernd zu berücksichtigen sein, wenn sie einem Steuerpflichtigen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ausweichen, wenn anderenfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist.
Aufwendungen zur Wiederbeschaffung oder Schadensbeseitigung können im Rahmen des Notwendigen und Angemessenen unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden:
- Sie müssen einen existentiell notwendigen Gegenstand betreffen – dies sind Wohnung, Hausrat und Kleidung, nicht aber z. B. ein Pkw oder eine Garage.
- Der Verlust oder die Beschädigung muss durch ein unabwendbares Ereignis wie Brand, Hochwasser, Kriegseinwirkung, Vertreibung, politische Verfolgung verursacht sein, oder von dem Gegenstand muss eine Gesundheitsgefährdung ausgehen, die beseitigt werden muss und die nicht auf Verschulden des Steuerpflichtigen oder seines Mieters oder auf einen Baumangel zurückzuführen is...