Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
§ 17 Abs. 1 Satz 5 a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 n.F. EStG greift nur bei unentgeltlicher Übertragung von bereits verstrickten Anteilen ein.
Normenkette
§ 17 Abs. 1 Satz 4/Satz 5 a.F. EStG
Sachverhalt
K, der zu 25 % an einer AG beteiligt war, schenkte seiner Frau zu Weihnachten 1998 einen Teil seiner Anteile, sodass diese letztlich zu 5,5 % an der AG beteiligt war. 2000/2001 veräußerte sie einen Teil ihrer Beteiligung mit Gewinn. FA und FG unterwarfen den Gewinn der Einkommensbesteuerung: K war ja ab 1999 mit mehr als 10 % wesentlich beteiligt gewesen – und deshalb müsse auch seine Frau bei der Veräußerung der Anteile ihren Gewinn versteuern (FG Münster, Urteil vom 13.11.2009, 14 K 2210/06 E, Haufe-Index 2304057, EFG 2010, 646).
Entscheidung
Dieser Beurteilung folgte der BFH nicht und gab der Klage aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen der Klage statt.
Hinweis
1. Der Fall spielt einmal mehr am Übergang der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG von 25 % hin zu 10 %. Unser K schenkte seiner Frau 1998 Anteile an einer AG, an der er zu 25 % beteiligt gewesen war. Frau K, mit 5,5 % und damit nicht wesentlich beteiligt, veräußerte schließlich 2001 mit einem Gewinn von 500.000 EUR.
2. Warum sollte dieser Gewinn steuerbar sein? Weder waren K bei der Schenkung noch Frau K bei der Veräußerung wesentlich an der AG beteiligt gewesen. Allerdings war K schließlich nach der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze qualifiziert beteiligt. Wirkt das zurück? Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG muss auch der unentgeltliche Erwerber die Anteilsveräußerung versteuern, wenn er den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und er zwar nicht selbst, aber sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war. Der Rechtsvorgänger, K, war nur wesentlich beteiligt, wenn man die durch Gesetzesänderung vermittelte Beteiligungsgrenze auf das Jahr 1998 zurückbezieht.
3. Mit dieser Problematik musste sich der BFH auseinandersetzen. Die Antwort erschließt sich klar aus dem Zweck des Gesetzes: Wenn es die Anteile des unentgeltlichen Erwerbers nach wie vor als steuerverstrickt bewertet, so deshalb, um die Anteile eines wesentlich Beteiligten bei unentgeltlicher Übertragung nicht aus der Steuerverhaftung zu entlassen. In "besonders qualifizierter Weise erlangt" sind deshalb nur Anteile aus einer wesentlichen Beteiligung, wenn die maßgebliche Beteiligung bereits vor dem unentgeltlichen Erwerb bestanden hat. Das hat sie natürlich nicht, wenn K allein durch die Gesetzesänderung ab 1999 qualifiziert beteiligt war, nicht aber schon 1998. Dann hatte er vor der Schenkung gerade keine wesentliche Beteiligung. Das bedeutet selbstredend: § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, und zwar ganz unabhängig davon, wie man die im BFH-Beschluss vom 24.02.2012, IX B 146/11 (siehe BFH/PR 2012, 185) aufgeworfene Frage schließlich beantwortet.
4. Im Grunde genommen ist die Frage eigentlich ganz einfach zu beantworten, wenn man sich Folgendes klar macht: Hätte K die Anteile seiner Frau nicht geschenkt, sondern verkauft, wäre diese Veräußerung – natürlich – nicht steuerbar gewesen, weil K ja nicht wesentlich beteiligt war. Also kann dies bei einer unentgeltlichen Übertragung nicht anders sein: Durch sie werden die Anteile ja nicht aus der Steuerbarkeit entlassen. Selbstredend hätte K allerdings einen Gewinn versteuern müssen, wenn er statt seiner Frau – ohne die Übertragung an sie vorzunehmen – einen Anteil im Jahr 2001 veräußert hätte – aber das ist eben ein ganz anderer Fall!
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.1.2012 – IX R 8/10