Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Wird ein Gegenstand für unternehmensfremde Zwecke aus dem Unternehmensvermögen entnommen, liegt nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG ein Vorgang vor, der als Lieferung gegen Entgelt angesehen wird.
Steuerbare Entnahme nur bei vorigem Vorsteuerabzug
Die Steuerbarkeit einer unentgeltlichen Lieferung setzt immer einen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Gegenstands oder seiner Bestandteile voraus.
Soweit der Gegenstand im Inland abgegeben wird, liegt ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbarer Umsatz vor.
Neue Vorschriften zur Bestimmung des Orts unentgeltlicher Wertabgaben
Bis 31.12.2019 bestimmte sich der Ort einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3f UStG. Da diese Regelung keine Basis im Unionsrecht hatte, ist sie zum 31.12.2019 ersatzlos gestrichen worden. Der Ort einer unentgeltlichen Wertabgabe bestimmt sich seit dem 1.1.2020 in analoger Anwendung der Rechtsvorschriften für entgeltliche Leistungen.
Da im Regelfall keine Steuerbefreiung einschlägig ist, entsteht auf der Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG (Anschaffungskosten oder Selbstkosten eines vergleichbaren Gegenstands zum Zeitpunkt der Entnahme) für diesen Vorgang Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer kann nicht in einer Rechnung ausgewiesen werden, selbst wenn der Gegenstand beim Empfänger für unternehmerische Zwecke verwendet wird.
Wird der Gegenstand hingegen entgeltlich – aber verbilligt – abgegeben, kann die Mindestbemessungsgrundlage zur Anwendung kommen, die im Ergebnis dazu führt, dass die für diese Lieferung entstandene Umsatzsteuer auch in voller Höhe in einer Rechnung ausgewiesen werden kann. Wenn der Gegenstand vom Leistungsempfänger für unternehmerische, den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Zwecke verwendet wird, ist insoweit ein Vorsteuerabzug möglich.
Keine Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Empfängers
Der BFH hat darüber hinaus entschieden, dass die Mindestbemessungsgrundlage bei Leistungen an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer jedenfalls dann nicht anwendbar ist, wenn der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung i. S. d. § 15a UStG unterliegt.
Die Mindestbemessungsgrundlage kommt nur bei entgeltlich ausgeführten Umsätzen an nahestehende Personen zur Anwendung. Das Umsatzsteuergesetz zählt die Anwendungsfälle abschließend auf:
- Lieferungen oder sonstige Leistungen, die die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG bezeichneten Körperschaften und Personenvereinigungen im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen,
- Lieferungen oder sonstige Leistungen, die Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
- Lieferungen oder sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt.
Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage setzt immer Vergleich voraus
In den genannten Fällen muss immer geprüft werden, ob die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG das tatsächlich aufgewendete Entgelt des Leistungsempfängers nach § 10 Abs. 1 UStG übersteigt. Allerdings ist die Höhe der Mindestbemessungsgrundlage nach oben hin bei dem marktüblichen Entgelt gedeckelt.