Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Rechtsanwalt R hat sich seinen Traum erfüllt und Anfang Juli 2021 einen 30 Jahre alten Porsche in gutem Zustand erworben. Das Fahrzeug, das ihm von einem Kollegen angeboten wurde, konnte er für 15.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer erwerben. Da in dem Fahrzeug noch der erste Motor eingebaut war, ließ er Anfang Juli 2022 von einer auf alte Fahrzeuge spezialisierten Werkstatt einen generalüberholten Originalmotor neu einbauen. Insgesamt musste er dafür 6.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer aufwenden.
Nachdem R das Fahrzeug nach Erwerb 2021 plangemäß für seine Fahrten als Rechtsanwalt (zu 60 %), ansonsten für private Fahrten verwendet hatte, wurde er ab dem 1.7.2022 neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch als bestellter Betreuer für körperlich und kognitiv hilfsbedürftige Personen tätig und nutzte ab diesem Zeitpunkt das Fahrzeug zu 40 % für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt, zu 20 % für seine Betreuertätigkeit und ansonsten für private Fahrten (40 %). Anfang Januar 2023 will er das Fahrzeug seiner einzigen Tochter schenken, da die Marktpreise für solche Fahrzeuge in den letzten Monaten stark gestiegen waren (nach seriösen Schätzungen wird er Anfang Januar 2023 für ein vergleichbares Fahrzeug 25.000 EUR – netto – aufwenden müssen) und er mit weiteren Preissteigerungen rechnet, will er nicht noch weiter abwarten und so höhere Steuerzahlungen vermeiden.
Aus seinen zutreffenden Zusammenstellungen ergeben sich für R die folgenden Daten für die Nutzung des Fahrzeugs in 2022:
- Ausgaben für Benzin 3.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer
- Wartung 500 EUR zzgl. Umsatzsteuer
- Ausgaben für Versicherung und Steuer 2.000 EUR
Bei Anschaffung des Fahrzeugs ging R – trotz des Alters des Fahrzeugs – davon aus, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für das Fahrzeug noch 6 Jahre betragen wird.
2.2 Fragestellung
R möchte wissen, welche Rechtsfolgen sich für ihn aus der unternehmerischen und der privaten Nutzung des Fahrzeugs in 2022 ergeben. Dabei ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden ist und die angegebenen Nutzungen durch ein Fahrtenbuch nachweisbar sind.
Außerdem möchte R wissen, welche Rechtsfolgen sich für ihn aus der Schenkung an die Tochter Anfang Januar 2023 ergeben werden.
2.3 Lösung
R ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Zum Rahmen seines Unternehmens gehört sowohl die Tätigkeit als Rechtsanwalt als auch die Tätigkeit als bestellter Betreuer nach § 1814 Abs. 1 BGB für Volljährige, die aufgrund Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht selbst besorgen können.
Das erworbene Fahrzeug konnte R im Juli 2021 seinem Unternehmen zuordnen, da es zu mindestens zu 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet werden sollte.
Zuordnungswahlrecht bei gemischter Nutzung
Ein Gegenstand, der mindestens zu 10 % für unternehmerische Zwecke, aber nicht vollständig unternehmerisch genutzt wird, muss nicht zwingend dem Unternehmen zugeordnet werden. Der Unternehmer kann einen solchen Gegenstand, ganz, gar nicht oder auch teilweise dem Unternehmen zuordnen. Soweit sich die Zuordnung eines solch gemischt genutzten Gegenstands nicht aus dem geltend gemachten Vorsteuerabzug zeitnah aus Voranmeldungen ableiten lässt, ist darauf zu achten, dass der Unternehmer die Zuordnung zum Unternehmen bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen (für nicht steuerliche beratene Personen) aufgrund objektiv nachprüfbarer Anhaltspunkte zu dokumentieren hat. Eine innerhalb der Abgabefrist gegenüber der Finanzverwaltung ausgeübte Dokumentation der Zuordnungsentscheidung ist nicht erforderlich.
Nach dem Sachverhalt wollte R den Gegenstand vollständig dem Unternehmen zuordnen. Damit konnte R in 2021 aus dem Erwerb des Fahrzeugs – ihm wurde offensichtlich von einem Unternehmer für die Lieferung des Fahrzeugs Umsatzsteuer gesondert in einer ordnungsgemäßen Rechnung ausgewiesen – die Umsatzsteuer von (15.000 EUR × 19 % =) 2.850 EUR nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehen.
Die Nutzung des Fahrzeugs schloss 2021 auch den Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 UStG aus. R verwendet das Fahrzeug für seine steuerpflichtigen Zwecke als Rechtsanwalt. Eine Nutzung des Fahrzeugs als Berufsbetreuer ergab sich 2021 noch nicht. Erst seit dem 1.7.2022 führt er Berufsbetreuungsleistungen aus, die nach § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG von der Umsatzsteuer befreit sind und nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG – ohne Ausnahme nach § 15 Abs. 3 UStG – den Vorsteuerabzug ausschließen.
Hier liegt aber – zumindest für den Zeitpunkt der Anschaffung des Fahrzeugs Mitte 2021 – kein Ausschluss des Vorsteuerabzugs aus dem Kauf des Fahrzeugs vor, da sowohl die Tätigkeit als Rechtsanwalt als auch die Privatnutzung keine den Vorsteuerabzug ausschließenden Tätigkeiten darstellen.
Die private Nutzung des Fahrzeugs in 2021/2022 stellt eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG dar (Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für private Zwecke), für den Gegenstand war auch der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen....