Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Kaffeehersteller K hat ein revolutionäres neues, besonders auf Singlehaushalte ausgerichtetes Kaffeezubereitungssystem entwickelt, für das ein spezielles kostengünstig herzustellendes Zubereitungsgerät sowie spezielle Kaffeekapseln benötigt werden. Nachhaltige Einnahmen will K insbesondere aus dem Verkauf der Kaffeekapseln generieren.
Das Kaffeezubereitungssystem kostet in der Herstellung (Selbstkosten) 50 EUR.
Um den Verkauf der Kaffeekapseln zu fördern, hat K in einer Sonderaktion im Weihnachtsverkauf 2022 insgesamt 1.000 Stück dieser Kaffeezubereitungssysteme über den Fachhandel kostenlos an Endverbraucher abgeben lassen.
Darüber hinaus hat K 50 Systeme – wiederum kostenlos – über den Fachhandel in der Schweiz ebenfalls an Endverbraucher aushändigen lassen. Diese Teile sind von einem von ihm beauftragten Frachtführer zu dem Einzelhändler in Zürich transportiert worden.
Aus der Produktion der Systeme sind K durchschnittlich 4 EUR Vorsteuerabzug pro Teil entstanden, die im jeweiligen Voranmeldungszeitraum auch vollständig abgezogen wurden.
3.2 Fragestellung
K möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus der kostenlosen Abgabe der Kaffeezubereitungssysteme in Deutschland und in der Schweiz ergeben.
Außerdem bittet K um Gestaltungshinweise für weitere Aktionen, falls sich aus der bisherigen Durchführung für ihn ungünstige steuerrechtliche Konsequenzen ergeben.
3.3 Lösung
K ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Die Kaffeezubereitungssysteme und die Kaffeekapseln sind jeweils getrennt zu beurteilende Gegenstände, die einzeln verkehrsfähig sind. Die offensichtlich entgeltliche Veräußerung der Kaffeekapseln führt zu steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen, soweit diese in Deutschland verkauft werden. Der Export von Kaffeekapseln in die Schweiz wird zu steuerbaren, aber steuerfreien Ausfuhrlieferungen führen.
Die Abgabe der Kaffeezubereitungssysteme stellt keine entgeltliche Lieferung dar, da die Kunden dafür keine Zahlung leisten. Die Abgabe der Kaffeezubereitungssysteme könnten als Lieferung gegen Entgelt gelten, wenn eine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG erfüllt wäre. Eine Entnahme der Gegenstände für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, ist nicht gegeben, ebenfalls keine unentgeltliche Abgabe an das Personal für dessen privaten Bedarf. Damit kann sich nur eine unentgeltliche Wertabgabe aus anderen (unternehmerischen) Gründen nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG ergeben. Voraussetzung ist, dass es sich nicht um Warenmuster oder um Geschenke von geringem Wert handelt.
Wertgrenze für Geschenke von geringem Wert
Geschenke von geringem Wert sind Geschenke, die die Wertgrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (35 EUR) nicht überschreiten. Dabei sind alle Geschenke innerhalb eines Jahres an eine Person zusammenzurechnen.
Aufgrund der Selbstkosten von 50 EUR pro Teil ist die Wertgrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG eindeutig überschritten, sodass keine Geschenke von geringem Wert vorliegen.
Eine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe würde weiterhin dann ausscheiden, wenn es sich um Warenmuster für Zwecke des Unternehmens handeln würde. Da K Kaffeezubereitungssysteme unentgeltlich abgibt, damit aber den Verkauf von Kaffeekapseln fördern will, kann es sich nicht um Warenmuster handeln. Die Kunden, denen die Gegenstände unentgeltlich abgegeben werden, sollen nicht dazu bewegt werden, gleichartige Gegenstände (Kaffeezubereitungssysteme), sondern andere Gegenstände (Kapseln) zu erwerben. Deshalb handelt es sich bei den unentgeltlich abgegebenen Teilen nicht um Warenmuster.
BFH bestätigt steuerbare Wertabgabe
Der BFH hat dies im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Abgabe von Blutzuckermessgeräten an Patienten bestätigt, die dadurch dazu verleitet werden sollten, entgeltlich Teststreifen für diese Geräte zu erwerben.
K führt folglich mit der unentgeltlichen Abgabe als Lieferung gegen Entgelt geltende Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG aus, ein Vorsteuerabzug war für K aus der Produktion heraus auch gegeben. Der Ort der unentgeltlichen Wertabgabe bestimmt sich analog den Vorschriften für entgeltliche Leistungen. Soweit die Geräte im Inland abgegeben werden, liegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG weiterhin steuerbare Leistungen vor, die keiner Steuerbefreiung unterliegen.
Die Bemessungsgrundlage für die Abgabe bestimmt sich nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mit den Selbstkosten, die bei der Produktion angefallen sind, damit beträgt die Bemessungsgrundlage pro Stück 50 EUR, die Umsatzsteuer (50 EUR × 19 % =) 9,50 EUR pro Stück. Steuerschuldner ist K.
Kein Vorsteuerausschluss wegen unentgeltlicher Wertabgabe
Im vorliegenden Fall kommt es nicht zu einem Vorsteuerausschluss, da die Leistungsbezüge nicht ausschließlich und unmittelbar für eine nach § 3 Abs. 1b UStG beabsichtigte unentgeltliche Wertabgabe bestimmt waren. Offensichtlich hat K aus seinem Warenbestand eine entsprechende Teilmenge für diese unentgeltlichen...