Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
1. Bei einer Personengesellschaft, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, kommt die Aktivierung eines durch unberechtigte Entnahmen eines ungetreuen Gesellschafters entstandenen Ersatzanspruchs nicht in Betracht.
2. Unberechtigte Entnahmen führen beim ungetreuen Gesellschafter, anders als wenn er der Gesellschaft zustehende Zahlungen auf das eigene Konto umleitet, nicht zu Betriebseinnahmen.
Normenkette
§ 4 Abs. 3 und 4 EStG , § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 18 EStG
Sachverhalt
Eine Rechtsanwalts-Sozietät ging im Streit auseinander; zwei Sozien schieden aus. Anschließend fand ein Zivilprozess unter den Mitgliedern der Sozietät statt, der schließlich durch einen Vergleich beendet wurde, wonach alle bekannten und unbekannten Ansprüche zwischen den Parteien beendet sein sollten. Während des Prozesses hatte das FA mit einer Betriebsprüfung begonnen. Zwar waren die Prüfungsarbeiten im Zeitpunkt des Vergleichs abgeschlossen. Der Bericht wurde aber erst später fertig gestellt. Das FA rechnete Mehrgewinne aus Vorgängen, die mit einem in der Sozietät verbliebenen Anwalt (A) zusammenhingen, allen Sozien anteilig zu.
Es handelte sich um folgende Vorgänge:
Im Jahr 1988 war eine USt-Erstattung auf einem Konto verbucht worden, das eventuell ein Konto des A war; eine Verbuchung der Einnahme war nicht erfolgt.
Im Jahr 1989 hatte das FA USt 1987 auf ein privates Konto des A überwiesen.
Im Jahr 1990 war ein Betrag in Höhe der USt-Erstattung 1987 von einem Sozietätskonto auf ein Konto des A überwiesen und als Betriebsausgabe gebucht worden.
Die ausgeschiedenen Gesellschafter waren der Auffassung, die Gewinnerhöhungen beträfen nur die verbliebenen Gesellschafter. Außerdem beriefen sie sich auf den Vergleich und meinten, dadurch sei der Gewinnverteilungsschlüssel geändert worden.
Entscheidung
Nachdem das FG die Klage abgewiesen hatte, hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Die getroffenen Feststellungen reichten nicht zur Beurteilung der Frage aus, wer die Mehrgewinne zu besteuern habe.
Grundsätzlich seien Mehrgewinne nach einer Prüfung allen Gesellschaftern nach dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Sei ein Mehrgewinn aber nur einem Gesellschafter zugute gekommen und endgültig verblieben, habe dieser den Gewinn zu versteuern.
Allen Gesellschaftern sei der Mehrgewinn aus der Erstattung 1988 zuzurechnen, wenn es sich um ein Gesellschaftskonto gehandelt habe. Habe das Konto jedoch A gehört, sei der Fall ebenso wie die Erstattung 1989 zu beurteilen. A müsse den Mehrgewinn alleine versteuern, wenn es sich nicht um einen Irrtum gehandelt habe, der durch eine Überweisung an die Sozietät ausgeräumt worden sei, oder wenn die Erstattung dem A im Hinblick auf eine von ihm vorgestreckte Zahlung zuzurechnen sei. Wenn die anderen Gesellschafter der Entnahme nicht zugestimmt hätten, hätte A dann als ungetreuer Gesellschafter eine Sonderbetriebseinnahme erzielt.
Ersatzansprüche seien bei der Einnahmen-Überschussrechnung erst im Zeitpunkt der Befriedigung zu berücksichtigen. Soweit A im Jahr 1990 eine Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen ohne Einverständnis der anderen Sozien an sich veranlasst haben sollte, sei der Gesellschaft eine Betriebsausgabe entstanden, der keine Sonderbetriebseinnahme des A gegenüberstände.
Hinweis
Bei ungetreuen Gesellschaftern sind zwei Fallvarianten zu unterscheiden, die auch zu unterschiedlichen Steuerfolgen führen:
- Bedient sich ein Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen, ohne dazu von den Mitgesellschaftern berechtigt zu sein, sind die einkommensteuerlichen Folgen nicht anders als bei einem unehrlichen Angestellten: die Vermögensminderung ist eine Betriebsausgabe und mindert den Gewinn.
- Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter Betriebseinnahmen der Gesellschaft auf sich umleitet. Diese Mittel erreichen das Betriebsvermögen nicht, erhöhen also auch nicht den Gesellschaftsgewinn. Der Gesellschafter empfängt die Mittel aber im Rahmen seiner Mitunternehmerstellung. Deshalb erzielt er Sonderbetriebseinnahmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.12.2000, IV R 16/00