Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Bis zur Festsetzung der Einkommensteuer im Veranlagungsverfahren bildet der Vorauszahlungsbescheid den Rechtsgrund für die Vorauszahlungen. Darf die Jahressteuer nicht mehr festgesetzt werden, fällt die Vorauszahlungsschuld ebenfalls weg.
Sachverhalt
Die zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichteten Kläger reichten für das Kalenderjahr 1997 (zunächst) keine Steuererklärung ein. Das Finanzamt schätzte daraufhin im August 2002 die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO. Nachdem die Kläger ihre Steuererklärung (erst) im September 2005 beim Finanzamt eingereicht hatten, teilte das Finanzamt ihnen formlos mit, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 nicht mehr in Betracht komme. Daraufhin erwiderten die Kläger, dass ihnen ein solcher Bescheid nicht bekannt gegeben worden sei. Gleichzeitig beantragten sie die Erstattung der für das Kalenderjahr 1997 geleisteten Vorauszahlungen. Diesem Antrag hat das Finanzamt nicht entsprochen.
Entscheidung
Das FG ist der Auffassung, dass die Kläger nach § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung der für das Jahr 1997 geleisteten Vorauszahlungen zur Einkommensteuer haben. Rechtsgrund der Vorauszahlungen für 1997 waren zunächst die ergangenen Vorauszahlungsbescheide. Diese sind nicht durch einen Einkommensteuer-Jahresbescheid für 1997 ersetzt worden. Durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung am 31.12.2004 ist der Anspruch des Finanzamts auf Einkommensteuer 1997 nach § 47 AO erloschen. Als Rechtsfolge erledigte sich die Wirksamkeit der Vorauszahlungsbescheide für 1997 nach § 124 Abs. 2 AO"auf andere Weise". Die Funktion der Vorauszahlungsbescheide, die Einkommensteuer schon vor deren Festsetzung im Jahressteuerbescheid zu vereinnahmen, geht nämlich verloren, wenn die Endabrechnung über die Steuer nicht mehr möglich ist. Dem widerspräche es, dem Fiskus Einnahmen zu verschaffen, die wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung endgültig nicht geschuldet werden.
Hinweis
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil zu dieser Frage noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt. Für den Bereich der Vermögensteuer hat der BFH zwar entschieden , dass die geleisteten Vermögensteuer-Vorauszahlungen zu erstatten sind, wenn das Finanzamt nach Ablauf der Festsetzungsverjährung einen Vermögensteuerbescheid erlässt, der später wieder aufgehoben wird. M. E. macht es jedoch keinen Unterschied, ob ein bereits ergangener Jahressteuerbescheid wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung aufgehoben wird oder erst gar nicht ergeht. Denn in beiden Fällen erledigt sich der Vorauszahlungsbescheid "auf andere Weise".
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009, 15 K 160/09