Bei Personen im erwerbsfähigen Alter ist davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Hierzu hat die unterhaltene Person ihre Arbeitskraft als die ihr zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehende Quelle in ausreichendem Maße auszuschöpfen (sog. Erwerbsobliegenheit). Für Personen im erwerbsfähigen Alter sind daher – mangels Zwangsläufigkeit – grundsätzlich keine Unterhaltsaufwendungen anzuerkennen. Die Erwerbsobliegenheit ist bei allen unterhaltsberechtigten Personen, die nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, zu prüfen. Die von der Finanzverwaltung für Inlandsfälle angewandte Vereinfachungsregelung gilt in diesen Fällen nicht.
Erwerbsobliegenheit bei im Ausland lebenden Ehegatten
Eine Ausnahme ist hingegen bei im Ausland lebenden Ehegatten zu beachten. Hier ist weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit zu prüfen. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, i. d. R. durch die Führung des Haushalts. Der den Haushalt führende Ehegatte muss seine Arbeitskraft nur dann einsetzen, wenn die Arbeitskraft des erwerbstätigen Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts nicht ausreicht.
Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft darf nicht gefordert werden, wenn die unterhaltene Person aus gewichtigen Gründen keiner oder nur in geringem Umfang einer Beschäftigung gegen Entgelt nachgehen kann. Als Gründe kommen z. B. Behinderung, schlechter Gesundheitszustand, die Erziehung oder Betreuung von Kindern unter 6 Jahren, die Pflege behinderter Angehöriger, ein ernsthaft und nachhaltig betriebenes Studium oder eine Berufsausbildung in Betracht.
Eine "Pflege auf Abruf" für die pflegebedürftige Mutter der nicht berufstätigen, 60-jährigen Unterhaltsempfängerin ist nicht ausreichend, um ein Entfallen der Erwerbsobliegenheit zu begründen.
Arbeitslosigkeit, trotz ordnungsgemäßer Bemühungen, stellt einen Grund dar, der die Erwerbsobliegenheit einer arbeitsfähigen Person entfallen lässt und damit die Bedürftigkeit i. S. d. § 1602 BGB begründet. Die ordnungsgemäßen Bemühungen um eine Beschäftigung sind durch die Vorlage von Beweismitteln nachzuweisen, sodass diese objektiv beurteilt werden können. Dieser Nachweis kann durch die Vorlage einer Bescheinigung einer ausländischen Behörde, die für den Arbeitsmarkt zuständig ist, erbracht werden.
Die Erwerbsobliegenheit entfällt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze. Maßgebend hierfür sind die im deutschen Sozialrecht festgelegten Grenzen, auch wenn die unterstützte Person nach ausländischem Recht bereits eine Regelaltersrente bezieht. Dabei ist die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre und die stufenweise Anhebung für die Jahrgänge ab 1947 zu beachten. Eine Person des Jahrgangs 1950 erreicht z. B. die Regelaltersgrenze erst mit 65 Jahren und 4 Monaten. Für Jahrgänge bis 1946 gilt weiterhin die bisherige Altersgrenze von 65 Jahren.
Bei Personen unter 65 Jahren, die bereits eine Rente beziehen, kann auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft nur dann verzichtet werden, wenn die Rente aufgrund eines schlechten Gesundheitszustands oder einer Behinderung gezahlt wird. An den Nachweis einer Behinderung und eines schlechten Gesundheitszustands sind im Regelfall strenge Anforderungen zu stellen. Der Nachweis ist durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes zu führen, die mindestens Ausführungen zur Art der Krankheit, zum Krankheitsbild und den dadurch bedingten dauernden Beeinträchtigungen bzw. dem Grad der Behinderung der unterstützten Person enthalten muss. Außerdem ist anzugeben, in welchem Umfang die unterstützte Person noch in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Den Unterlagen ist eine deutsche Übersetzung beizufügen. Die Vorlage der Bescheinigung eines Arztes schließt nicht aus, dass das Finanzamt nach den Umständen des Einzelfalls weitere Auskünfte oder Nachweise verlangen kann.