FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 16.11.2011, S 0130
1. Zivilgerichtliches Verfahren über den Unterhalt
Durch das am 1.9.2009 in Kraft getretene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wurde das zivilgerichtliche Verfahren in Unterhaltssachen neu geregelt.
Bei Unterhaltsstreitigkeiten kann das Gericht gemäß § 235 Abs. 1 FamFG anordnen, dass der Antragsteller und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen sowie bestimmte Belege vorlegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist.
Kommt ein Beteiligter innerhalb der hierfür gesetzten Frist einer Verpflichtung nach § 235 Abs. 1 FamFG nicht oder nicht vollständig nach, kann das Gericht, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist, u.a. bei den Finanzämtern gemäß § 236 Abs. 1 Nr. 5 FamFG über die Höhe der Einkünfte Auskunft und bestimmte Belege anfordern.
Die in § 236 Abs. 1 FamFG bezeichneten Personen und Stellen sind verpflichtet, der gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten (§ 236 Abs. 4 FamFG). Die Befugnis der Finanzämter zur Offenbarung der durch das Steuergeheimnis geschützten Verhältnisse ergibt sich insoweit aus § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO.
Im Gegensatz zu der bisherigen Vorschrift des § 643 Abs. 2 Zivilprozessordnung gestattet § 236 Abs. 1 FamFG dem Gericht nicht, Auskünfte über das Vermögen und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei Dritten anzufordern. Es dürfen nur Auskünfte über die Höhe der Einkünfte verlangt und erteilt werden. Eine Übersendung von Steuerakten oder Steuerbescheiden ist nicht zulässig.
Außerdem wurde die bislang bestehende Beschränkung der Auskunftspflicht der Finanzämter auf Rechtsstreitigkeiten, die den Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes betreffen, aufgegeben. Die Auskunftspflicht der Finanzämter bezieht sich nunmehr auf alle Verfahren in Unterhaltssachen i.S. des § 231 Abs. 1 FamFG.
2. Strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht
Zur Frage, ob die Gerichte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB) befugt sind, zum Zwecke der Auffindung von Beweismitteln die Beschlagnahme von Steuerakten bei der Finanzbehörde und die Durchsuchung der Diensträume anzuordnen (§§ 98, 103, 105 StPO), vgl. AO-Kartei NW § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO Karte 818 .
Normenkette
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 2;
FamFG § 236 Abs. 1