Prof. Dr. rer. pol. Christian Timmreck
Um auf die erste Aussage dieses Beitrags zurückzukommen: Der Wert eines Unternehmens liegt im Auge des Betrachters. Der Verkäufer wird das Unternehmen als gut aufgestellt und entsprechend wertvoll ansehen. Ein Gutachter wird genauer hinschauen und vielleicht doch die ein oder andere Verbesserungsmöglichkeit identifizieren, einen Investitionsstau oder Wartungsrückstand feststellen und den Wert nach unten anpassen. Der Käufer wird zumindest in seiner Argumentation während der Kaufpreisverhandlungen viele wertrelevante Probleme sehen: unberücksichtigte Preissteigerungen bei Löhnen oder Rohstoffen, mögliche Kundenverluste und fehlende Konzepte für anstehende Marktveränderungen. Kommt noch eine Bank ins Spiel, die der Käufer für die Kaufpreisfinanzierung in Anspruch nimmt, wird diese weitere (risikobedingte) Wertabschläge machen.
Daher ist auch die Rolle eines professionellen M&A-Beraters insbesondere bei der Veräußerung eines mittelständischen Unternehmens von zentraler Bedeutung. Solch ein Berater stellt nicht nur sicher, dass die Wertvorstellungen anhand des aktuellen Marktumfelds plausibilisiert werden, sondern hilft durch seine umfassenden Marktkenntnisse auch, den "richtigen" Käufer zu identifizieren, der den höchsten Kaufpreis zahlt bzw. das beste Gesamtangebot abgibt.
Abgesehen davon ist die Veräußerung eines Unternehmens für den Gesellschafter i. d. R. eine einmalige Angelegenheit, während es für den M&A-Berater Tagesgeschäft ist. Er kennt die jeweiligen Kaufpreisniveaus und weiß, mit welchen Argumenten der Kaufpreis zu erhöhen bzw. mit welchen Gegenargumenten zu rechnen ist. Dabei hilft es, die Verfahren zur Unternehmensbewertung im Detail zu beherrschen, denn nur dann können die notwendigen Parameter zielgerichtet abgeleitet werden.
Auch wenn die Discounted-Cashflow-Methode als internationaler Standard gilt und wissenschaftlich fundiert ist, wird sich in den meisten Fällen herausstellen, dass das pragmatische Multiplikatorverfahren – bei richtiger Anwendung – zu vergleichbaren Ergebnissen kommt. Allerdings mit dem Vorteil, ohne viele Annahmen und komplexe Vorgehensweisen auszukommen. Am Ende bleibt der Kaufpreis ein Verhandlungsergebnis und in diesem Zusammenhang nützt eine theoretisch richtige Bewertung nichts, wenn sich kein Marktteilnehmer finden lässt, der bereit ist, diesen Preis zu zahlen.