Prof. Dr. Klaus Schneider
Zusammenfassung
Unternehmenskäufe gehören häufig zu den größten Investitionsprojekten, die Unternehmen durchführen.
Fehleinschätzungen bei der Unternehmensbewertung und der Entscheidung zum Kaufpreis können existenzgefährdend sein. Deshalb ist hier besondere Sorgfalt erforderlich.
In dem Beitrag werden allgemeine Bewertungsgrundsätze, der Ablauf eines Bewertungsprozesses und die gängigen Bewertungsmethoden vorgestellt. In Deutschland ist immer noch das Ertragswertverfahren das dominierende Bewertungsverfahren.
1 Ertragskraft als Grundlage der Unternehmensbewertung
Unternehmensbewertungen haben unterschiedliche Anlässe. Kauf oder Verkauf eines Unternehmens ist sicherlich einer der bedeutsamsten Anlässe, bei dem die Unternehmensbewertung die zentrale Rolle bei der Kaufpreisfindung spielt. Die Ergebnisse der Unternehmensbewertung haben für alle Beteiligten der Unternehmenstransaktion eine hohe Bedeutung. Trotz Globalisierung und grenzüberschreitender M&A fallen seit 2010 weltweit stetig das Transaktionsvolumen und die Anzahl an Transaktionen. Hauptgründe sind u. a. die schlechte konjunkturelle Lage in den großen Industrienationen und die gesunkene Kaufkraft von Aktien als Transaktionswährung.
Ertragswertverfahren führende Methode in Deutschland
Für die Bewertung von Unternehmen stehen zahlreiche Bewertungsverfahren zur Verfügung. Das Ertragswertverfahren ist in Deutschland, trotz des zunehmenden Trends zur Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode), noch immer das dominierende Bewertungsverfahren. Die verstärkte Anwendung der DCF-Methode ist auf die steigende Zahl grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse zurückzuführen. Einen weiteren Einfluss hat die Umsetzung des Shareholder-Value-Ansatzes, dessen Hauptthese die Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals ist. Mit der DCF-Methode besteht die Möglichkeit, den Marktwert des Eigenkapitals zu berechnen. Auswirkungen verschiedener Unternehmensstrategien auf den Marktwert des Eigenkapitals werden heute u. a. bei börsennotierten Unternehmen mittels DCF-Methode im Vorfeld der Umsetzung simuliert.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in seinem Standard S1 (IDW S1) – Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen – festgelegt, dass "der Wert des Unternehmens allein aus seiner Ertragskraft, d. h. seiner Eigenschaft, finanzielle Überschüsse für die Unternehmenseigner zu erwirtschaften, abgeleitet" wird. Der Wirtschaftsprüfer ermittelt demnach den Wert eines Unternehmens als Zukunftserfolgswert. Hierfür stehen ihm sowohl die Ertragswert- als auch die DCF-Methode zur Verfügung. Beide Verfahren stehen in der Praxis gleichwertig nebeneinander.
1.1 Wert, Nutzen und Preis können abweichen
Bewertung ist subjektiv
Betriebswirtschaftlich ist der Wert eines Wirtschaftsguts der Nutzen, den ein Wirtschaftssubjekt (Person) ihm beimisst. Je stärker die Bedürfnisse des Wirtschaftssubjekts durch das Wirtschaftsgut befriedigt werden, desto größer ist dessen subjektiver Nutzen. Ein und dasselbe Wirtschaftsgut kann die Bedürfnisse unterschiedlicher Wirtschaftssubjekte in unterschiedlichem Ausmaß befriedigen. Aber auch ein und dieselbe Person kann einem Wirtschaftsgut zu unterschiedlichen Bewertungszeitpunkten bzw. -anlässen einen unterschiedlichen Nutzen beimessen. Nutzen ist demnach immer subjektiv.
Wenn der betriebswirtschaftliche Wert eines Unternehmens ermittelt werden soll, wird der Nutzen der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter aus der Sicht der bewertenden Person bestimmt. Unter dem monetären Nutzen eines Unternehmens werden i. d. R. dessen Erträge oder auch Cashflows verstanden. Neben dem monetären Nutzen wird durch die bewertende Person aber auch der nicht-monetäre Nutzen bei der Bewertung einbezogen. Im Ergebnis werden der subjektive Nutzen und damit der betriebswirtschaftliche Wert des Unternehmens in Euro und Cent bemessen.
Wert ≠ Preis
In der Praxis wird fälschlicherweise häufig das mittels eines anerkannten Bewertungsverfahrens ermittelte Ergebnis als Unternehmenspreis verstanden. Der ermittelte betriebswirtschaftliche Wert ist jedoch nicht automatisch mit dem Preis gleichzusetzen. Der Wert (subjektiver Nutzen!) geht in die Preisbildung mit ein, kann aber von dem Preis deutlich abweichen. Der Preis ist der aus Angebot und Nachfrage heraus resultierende, in Geld ausgedrückte Tauschwert. Käufer und Verkäufer bestimmen den Preis im Wesentlichen durch ihre Nutzenschätzung (Grenznutzen), sofern das mengenmäßige Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage in keinem groben Missverhältnis steht.
1.2 Grenzpreise für Käufer und Verkäufer
Nach dem bekannten Ansatz der Kölner Funktionslehre werden anlassbezogen die Beratungs-, Vermittlungs- und Argumentationsfunktion unterschieden.
Beratung zu Chancen und Risiken
Innerhalb der Beratungsfunktion soll der Grenzpreis als subjektiver Entscheidungswert ermittelt werden. Subjektiv deshalb, da bei der Wertermittlung die subjektiven Fähigkeiten, Möglichkeiten und Veränderungsstrategien des Investors bzw. Unternehmenskäufers berücksichtigt werden. Der künftige Investor berechnet mit oder ohne Unterstützung seines Beraters (i. d. R. Wirtschafts...