Prof. Dr. Gerd Waschbusch
4.3.1 Begriff
Rz. 37
§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG definiert den Gewinnabführungsvertrag als einen Vertrag, durch den sich eine AG oder KGaA dazu verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (die Ausführungen zur SE unter Rz. 19 gelten analog). Obwohl der Gewinnabführungsvertrag äußerlich nur eine schuldrechtliche Verpflichtung darstellt, handelt es sich bei ihm – genau wie beim Beherrschungsvertrag – um einen organisationsrechtlichen Vertrag (vgl. Rz. 12 f.). Mit der Gewinnabführung an das andere Unternehmen (berechtigtes Unternehmen) unmittelbar verknüpft ist dessen Verpflichtung zum Verlustausgleich. Letztendlich übernimmt die andere Vertragspartei das Jahresergebnis, weshalb auch von einem Ergebnisabführungsvertrag gesprochen wird.
4.3.2 Abzuführender Gewinn
Rz. 38
Was unter dem "ganzen Gewinn" i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG zu verstehen ist, wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Damit gemeint ist jedoch der Bilanzgewinn. Da beim Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags in der Handelsbilanz der verpflichteten Gesellschaft kein Gewinnausweis erfolgt, muss diese den abzuführenden Gewinn in einer Vorbilanz nach den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften ermitteln. In der endgültigen Handelsbilanz der verpflichteten Gesellschaft wird hingegen kein Gewinn ausgewiesen. Der als Gewinn abzuführende Betrag erscheint auf der Passivseite der Bilanz als Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird dieser Betrag korrespondierend als Aufwand in einem gesonderten Posten verbucht. Ergibt sich aufgrund der Vorbilanz ein Jahresfehlbetrag, so wird der Anspruch aus § 302 AktG auf Verlustübernahme in der Handelsbilanz als Forderung gegenüber verbundene Unternehmen erfasst. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird dieser Betrag als Ertrag in einem gesonderten Posten ausgewiesen. Es ist zudem zu beachten, dass die Bilanzierung und damit die Gewinnermittlung auch bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags nach wie vor Aufgabe des Vorstands der verpflichteten Gesellschaft ist. Der Vorstand kann somit Einfluss auf den abzuführenden Gewinn nehmen und durch die Bildung von stillen Reserven die finanzielle Basis der verpflichteten Gesellschaft sichern. Wurde jedoch der Gewinnabführungsvertrag mit einem Beherrschungsvertrag kombiniert, so besteht über das Weisungsrecht der begünstigten Gesellschaft die Möglichkeit, den abzuführenden Gewinn durch ein gezieltes Auflösen stiller Reserven zu erhöhen und damit die finanzielle Basis der verpflichteten Gesellschaft zu schmälern.
Rz. 39
Sofern der Gewinnabführungsvertrag nichts Näheres bestimmt, sind bei der Ermittlung des abzuführenden Gewinns in einer Vorbilanz die §§ 300, 301 AktG für die Höhe des abzuführenden Betrags maßgeblich. So ist der Jahresüberschuss, der ohne den Gewinnabführungsvertrag bilanziell entstehen würde, um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu kürzen. Weiterhin ist der Betrag, der nach § 300 Nr. 1 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abzuziehen. Außerdem ist gemäß § 301 Satz 1 AktG der nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrte Betrag von der Gewinnabführung ausgeschlossen. Der auf diese Weise ermittelte Betrag stellt den Höchstbetrag dar, der als Gewinn an die begünstigte Gesellschaft abgeführt werden kann. Sieht der Gewinnabführungsvertrag allerdings die Einstellung von Beträgen in die anderen Gewinnrücklagen vor, was gesellschaftsrechtlich unbegrenzt möglich ist, vermindert sich der abzuführende Gewinn entsprechend. Satzungsmäßige Pflichtrücklagen der verpflichteten Gesellschaft werden hingegen während der Vertragsdauer nicht gebildet, es sei denn, der Gewinnabführungsvertrag sieht etwas anderes vor. Der unter Beachtung dieser Regelungen letztlich ermittelte Betrag stellt den "ganzen Gewinn" dar, der an die berechtigte Gesellschaft abzuführen ist. Es ist ergänzend zu beachten, dass dieser Betrag durch die Auflösung von anderen Gewinnrücklagen, die während der Dauer des Gewinnabführungsvertrags gebildet wurden, erhöht werden kann.