Die Anlässe für Unternehmensbewertungen sind vielfältiger als häufig angenommen. Bewertungen können u. a. notwendig werden bei:
- Nachfolge an interne oder externe Übernehmer
- Unternehmenskäufen oder –verkäufen
- Übernahmen, Abspaltungen oder Fusionen
- Veränderung der Inhaber- oder Kapitalgeberstruktur
- Auseinandersetzungen der Inhaber über den Unternehmenswert
- Steuerlichen Verlagerungen von Unternehmenswerten
- Umstrukturierungen von Unternehmensteilen oder Sparten
- Geplanten Finanzierungen bzw. Veränderungen der aktuellen Finanzierungsstruktur
Zur Durchführung von Bewertungen gibt es eine Reihe von Verfahren:
1.1 Substanzwertverfahren
Beim Substanzwertverfahren wird die Summe aller Vermögensgegenstände eines Unternehmens abzüglich der Verbindlichkeiten ermittelt. Grundlage der Bewertung sind meist Wiederbeschaffungs- oder Marktpreise. Soweit sich für immaterielle Werte keine Marktpreise ermitteln lassen, wird deren Höhe geschätzt. Der Unternehmenswert oder Kaufpreis entspricht der Summe dessen, was ein Käufer für die Neuerrichtung des Betriebs bezahlen müsste.
Der Unternehmenswert beim Substanzwertverfahren errechnet sich mit dieser Formel:
Unternehmenswert = Vermögen zu Wiederbeschaffungs- / Marktpreisen – Schulden
Das Verfahren enthält keine Aussagen über künftige Entwicklungen von Erträgen oder Wachstumsraten, was aber für die Fortführung eines Betriebs elementar ist. Zudem ist die „richtige“ Ermittlung der Marktpreise im Prinzip kaum möglich. Das Verfahren ist für eine fundierte Bewertung daher weniger geeignet und kann allenfalls einer ersten groben Näherung an einen "angemessenen" Preis dienen.
1.2 Multiplikatorverfahren
Mit dem Multiplikatorverfahren wird der Umsatz oder das EBIT (Earnings before Interest and Taxes = Gewinn vor Zinsen und Steuern) eines Unternehmens mit einem Branchenmultiplikator für Umsatz oder EBIT multipliziert. Anschließend werden von dem so berechneten Kaufpreis die Nettofinanzverbindlichkeiten (Bankschulden zum Verkaufszeitpunkt plus Gesellschafterdarlehen minus flüssige Mittel) abgezogen. Nicht zinstragende Verbindlichkeiten bleiben unberücksichtigt, z. B. Kreditoren. Man erhält den Unternehmenswert. Häufig werden Umsätze oder EBIT als Durchschnittswerte mehrerer Jahre genommen, um Zufallsschwankungen zu vermeiden.
Unternehmenswert = (Umsatz/EBIT + Multiplikator) – Nettofinanzverbindlichkeiten
Bei den Multiplikatoren gibt es einen unteren und einen oberen Wert: Der untere Wert entspricht in etwa dem Branchendurchschnitt, der obere Wert dem der besten Betriebe der Branche; Abweichungen nach oben oder unten sind in besonderen Fällen auch möglich.
Das Verfahren ist weit verbreitet und wird vor allem bei der Bewertung kleinerer Betriebe eingesetzt. Es ist leicht verständlich und für alle Unternehmen ohne größere Anpassungen nutzbar. Die Multiplikatoren stehen zudem kostenfrei im Internet zur Verfügung. Allerdings sind die Brancheneinteilungen relativ grob, z. B. Bau/Handwerk, beratende Dienstleistungen oder Maschinen- und Anlagenbau. In den meisten Branchen gibt es Spezialisierungen und zahlreiche Unterbranchen, daher können die Multiplikatoren nur relativ grob sein. Oft wird das Verfahren daher für eine erste Preiseinschätzung verwendet und im Anschluss werden komplexere Verfahren eingesetzt, z. B. Ertragswert- oder Discounted-Cashflow.
1.3 Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist ein Verfahren, das auch das künftige Wachstum eines Unternehmens berücksichtigt. Voraussichtliche künftige Gewinne werden für einen Planungszeitraum von meist bis zu 10 Jahren geschätzt und mit einem Zinssatz diskontiert. Hinzugerechnet wird eine ewige Rente, die vereinfacht ausgedrückt mit einer konstanten Ausschüttung an den (neuen) Inhaber vergleichbar sind. Oft wird der Gewinn des letzten Jahres des Planungszeitraums als ewige Rente angesetzt.
Ertragswert = Summe der abgezinsten Jahresüberschüsse der Planperioden + ewige Rente
Das Ertragswertverfahren berücksichtigt die künftige Entwicklung eines Unternehmens und ist ebenfalls relativ weit verbreitet. Probleme ergeben sich bei der Wahl des „richtigen“ Zinssatzes und die Prognose der Gewinnentwicklung über einen langen Zeitraum. Anders als im Discounted-Cashflow-Verfahren wird auf Erträge, nicht auf tatsächliche Zahlungsströme abgestellt.