LfSt Bayern, Schreiben vom 13.5.2022, S 7107.2.1-23/16 St33
1. Stellung und Aufgaben von Landkreisen
1.1. Allgemeines zur rechtlichen Stellung von Landkreisen
Die Stellung von Landkreisen im politischen System und deren Aufgaben sind in der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LKrO) beschrieben.
Die Landkreise sind Gebietskörperschaften mit dem Recht, überörtliche Angelegenheiten, deren Bedeutung über das Kreisgebiet nicht hinausgeht, im Rahmen der Gesetze zu ordnen und zu verwalten (Art. 1 LKrO).
Den Landkreisen steht die Erfüllung der auf das Kreisgebiet beschränkten öffentlichen Aufgaben zu, die über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen, soweit es sich nicht um Staatsaufgaben handelt. Die Aufgaben der Landkreise sind eigene oder übertragene Angelegenheiten (Art. 4 LKrO).
Das Landratsamt ist Kreisbehörde. Soweit es rein staatliche Aufgaben, insbesondere die staatliche Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden und über sonstige Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts wahrnimmt, ist es Staatsbehörde (Art. 37 LKrO).
1.2. Auswirkungen
Das Landratsamt hat eine Art Doppelstruktur, bestehend aus der Verwaltungsbehörde der kommunalen Gebietskörperschaft Landkreis (sog. „Kreisbehörde”) und der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde, dem staatlichen Landratsamt (sog. „Kreisverwaltungsbehörde”). Die Erledigung der Aufgaben des Landkreises erfolgt durch das Landratsamt, je nachdem als eigene oder übertragene Angelegenheiten. Bei Erfüllung reiner Staatsaufgaben ist das Landratsamt als untere staatliche Verwaltungsbehörde tätig.
1.2.1. Eigener Wirkungskreis (Art. 5 LKrO)
Die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises finden sich in Art. 51 BayLKrO; sie umfassen insbesondere das Schaffen öffentlicher Einrichtungen, die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlich sind, Maßnahmen auf den Gebieten der Straßenverwaltung, der Feuersicherheit, des Gesundheitswesens sowie der öffentlichen Fürsorge und Wohlfahrtspflege, Errichtung und Unterhalt von Krankenhäusern, Hebammenhilfe, Gartenkultur und Landespflege etc.
Im eigenen Wirkungskreis unterliegen die Landkreise nur der Rechtsaufsicht.
1.2.2. Übertragener Wirkungskreis (Art. 6 LKrO)
Der Bereich der übertragenen Aufgaben umfasst die staatlichen Aufgaben, die das Gesetz den Landkreisen im eigenen Wirkungskreis zur Besorgung im Auftrag des Staates zuweist. Die auf diese Weise übertragenen staatlichen Verwaltungsaufgaben haben die Landkreise in ihrem Wirkungskreis zu erfüllen.
Dabei können die zuständigen Staatsbehörden Weisungen erteilen. Die Landkreise unterliegen hier der Rechts- und Fachaufsicht.
1.2.3. Staatsbehörde
Das Landratsamt ist grundsätzlich eine Kreisbehörde, es sei denn, es nimmt rein staatliche Aufgaben wahr, in diesen Fällen ist es Staatsbehörde. Die Aufgabendelegation auf die Landkreisverwaltung erfolgt per Einzelgesetz (Art. 37 LKrO). Weitere staatliche Aufgaben des Landratsamtes sind in den jeweiligen Fachgesetzen und den dazu erlassenen Zuständigkeitsverordnungen geregelt. Die Bandbreite dieser Aufgaben reicht, insbesondere von den Rechtsgebieten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Gewerberecht, Jagd- und Fischereirecht, Natur- und Umweltschutz, Zulassung, Ausländerwesen, Jugendschutz, Auskünfte aus Kaufpreissammlungen, Baurecht, Denkmalschutz bis hin zu Gesundheitswesen und Veterinärwesen. Das Landratsamt als Staatsbehörde ist lediglich Funktionsträger im Staatsaufbau und damit „nur” eine Behörde innerhalb der staatlichen Behördenhierarchie der juristischen Person „Freistaat Bayern”. In dieser Funktion unterliegt sie sowohl der Rechts- und Fachaufsicht als auch der Dienstaufsicht.
2. Auswirkungen der Doppelstruktur auf die Unternehmereigenschaft
Im Rahmen des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises handelt das Landratsamt als Kreisbehörde. Unternehmer im Sinne von §§ 2 bzw. 2b UStG ist für die Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises der Landkreis.
Wird das Landratsamt hingegen als Staatsbehörde tätig, so ist der Freistaat Bayern – vertreten durch das jeweilige Landratsamt – unternehmerisch tätig im Sinne von §§ 2 bzw. 2b UStG.
Den Landkreisen stehen Finanzzuweisungen als Ersatz des Verwaltungsaufwands für die Aufgaben des jeweils übertragenen Wirkungskreises und für die Staatsbehörde Landratsamt (Art. 53 Abs. 2 LKrO bzw. Art. 7 und Art. 9 Bayerisches Finanzausgleichsgesetz zu.
Die Finanzzuweisungen umfassen zum Beispiel:
- das gesamte Aufkommen der vom Landratsamt als Staatsbehörde festgesetzten Kosten (Gebühren und Auslagen) sowie erhobene Verwarnungsgelder und Geldbußen
- die von den staatlichen Gesundheits- und Veterinärämtern festgesetzten Benutzungsgebühren
- pauschale Zuweisungen je Einwohner und Haushaltsjahr
Sowohl die Finanzzuweisungen für die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises als auch der Ersatz des Verwaltungsaufwands für die Staatsbehörde sowie sonstige hierfür überlassene Aufkommen unterliegen nicht der Umsatzsteue...