Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Ursprünglich einbringungsgeborene Anteile an einer GmbH, die durch einen Antrag nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG entstrickt wurden, unterfallen der Besteuerung gem. § 17 Abs. 1 EStG.
2. Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 2 EStG in Bezug auf derartige Anteile ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis den gemeinen Wert der Anteile (§ 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG) übersteigt.
Normenkette
§ 17 Abs. 1 und 2, § 23 Abs. 1 S. 2 EStG, § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 UmwStG
Sachverhalt
Herr K. brachte seinen Einzelbetrieb zu Buchwerten in die K-GmbH ein. Ende des Jahres 1991 war er zu 42,5 % am Stammkapital beteiligt. In der Folgezeit kam es zu Anteilsübertragungen auf seine Kinder, sodass er Ende 1994 nur noch zu 25 % am Stammkapital beteiligt war. Er beantragte im Dezember 1994 die Versteuerung seiner Anteile nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG (gemeiner Wert 150 DM pro 100 DM Anteile), die auch vorgenommen wurde.
Im Mai 1995 veräußerte K. seine Anteile für 2 Mio. (800 DM pro 100 DM Anteile). Das FA erfasste den Gewinn nach § 17 EStG. Zu Recht!
Entscheidung
So sah das auch das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.03.2003, 6 K 187/01, Haufe-Index 1374617). Der BFH folgte ebenso wenig der Ansicht des Herrn K. und wies die Revision zurück.
Hinweis
1. Wird ein Einzelbetrieb nicht mit dem Teilwert, sondern z.B. mit dem Buchwert nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG in eine GmbH eingebracht, entstehen sog. einbringungsgeborene Anteile, die weiterhin steuerverstrickt bleiben, und zwar solange, bis die stillen Reserven aufgedeckt werden. Das konnte der Anteilseigner selbst herbeiführen durch eine Besteuerung auf Antrag nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG. Diese Vorschrift ist zwar mittlerweile aufgehoben (das UmwStG 2006 durch das StEStEG kennt eine derartige Besteuerung nicht mehr); sie gilt aber über § 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG 2006 für einbringungsgeborene Anteile weiter und damit bis zum Sankt Nimmerleinstag.
2. Das Verhältnis dieser auf Antrag vorgenommenen Besteuerung zu § 17 EStG ist klar: Diese Vorschrift wird durch § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG verdrängt (das nennt man Subsidiarität). Allerdings gilt das natürlich nur für sog. verstrickte Anteile. Wie verhalten sich aber beide Vorschriften zueinander, nachdem die Besteuerung auf Antrag vorgenommen wurde? Mit dieser Frage musste sich der BFH in einem Fall beschäftigen, in dem ein zunächst wesentlich beteiligter Anteilseigner die stillen Reserven in seinen nach Anteilsübertragungen noch verbliebenen einbringungsgeborenen Anteilen, die keine wesentliche Beteiligung mehr vermittelten, zunächst auf Antrag versteuert und diese Anteile ein halbes Jahr später veräußert hat.
3. Der BFH unterwirft diese Veräußerung der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 EStG. Dieses Ergebnis ergibt sich schon aus den Prämissen der bisherigen Rechtsprechung, die lauten:
- Auch die einbringungsgeborenen Anteile (die wegen der Subsidiarität nicht nach § 17 EStG besteuert werden) sind in die Feststellung einzubeziehen, ob eine wesentliche Beteiligung gegeben ist.
- § 17 EStG beschränkt sich nicht auf den Erlös aus den Anteilen, die zur wesentlichen Beteiligung gehören.
Daraus folgt: Besaß der Steuerpflichtige einbringungsgeborene Anteile von mehr als 25 %, ist er wesentlich beteiligt und muss die nach Anteilsübertragung verbliebenen Anteile, die keine wesentliche Beteiligung mehr vermitteln, nach § 17 Abs. 1 EStG versteuern, und zwar auch dann, wenn er vor der Veräußerung bereits die stillen Reserven aufgedeckt hatte. Denn die Wertsteigerung ist auch nach der Entstrickung bis zur Veräußerung steuerbar.
4. Aus dem Zweck des Fünfjahreszeitraums folgt nichts anderes. Das Gesetz verwirklicht sein Ziel, Umgehungen zu vermeiden (z.B. durch Teilveräußerungen, die dann jeweils nicht steuerbar sind), unabhängig von der jeweiligen Fallkonstellation in typisierender Weise durch einen fest bestimmten Zeitraum. Alle Anteilsveräußerungen sind steuerbar, wenn der Steuerpflichtige nur innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war.
5. Kommt es zu einer Doppelbesteuerung? Denn immerhin hatte der Steuerpflichtige ja schon die Entstrickung versteuert. Zu einer Doppelbesteuerung käme es deshalb nur dann, wenn man dem Veräußerungspreis die historischen Anschaffungskosten entgegensetzen würde. Indes wird der Veräußerungsgewinn gebildet aus der Differenz des Veräußerungspreises und dem nach § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG anzusetzenden gemeinen Wert. Dann wird nur die Wertentwicklung erfasst, die sich nach der Entstrickung bis zur Veräußerung vollzieht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.06.2008, IX R 58/05