Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Können die Mitgliedstaaten Tätigkeiten von Staaten, Ländern, Gemeinden oder sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 der 6. EG-RL von der Steuer befreit sind, nur dadurch gem. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-RL als Tätigkeiten "behandeln", die diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, wenn die Mitgliedstaaten eine dahin gehende ausdrückliche gesetzliche Regelung treffen?
2. Können "größere Wettbewerbsverzerrungen" i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 i.V.m. Unterabs. 2 der 6. EG-RL nur dann vorliegen, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten konkurrierender privater Steuerpflichtiger führen würde, oder auch dann, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten führen würde?
Normenkette
§ 2 Abs. 3 Satz 1, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9, § 15 UStG 1993, Art. 4 Abs. 5, Art. 13 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin errichtete ein Verwaltungsgebäude, das sie an die IHK vermietete; diese wiederum vermietete einen Teil an umsatzsteuerpflichtige Dritte. Die Klägerin begehrte nach Verzicht auf die USt-Befreiung vergeblich den anteiligen Abzug der Vorsteuer für die Errichtung.
Das FA war der Auffassung, die langfristige Vermietung sei als bloße Vermögensverwaltung kein "gewerblicher Betrieb" i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG. Die IHK sei insoweit deshalb nicht unternehmerisch i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG tätig.
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die entsprechenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft die Frage, ob eine Juristische Person des öffentlichen Rechts (JPöR) mit der Vermietung unternehmerisch i.S.d. UStG tätig sein kann. § 2 Abs. 3 UStG entspricht mit der Verweisung auf den "Betrieb gewerblicher Art" des KSt-Rechts nicht dem Gemeinschaftsrecht. Dass die Vermögensverwaltung keinen Betrieb gewerblicher Art darstellt, ergibt sich darüber hinaus auch nur aus der Rechtsprechung.
Gemeinschaftsrechtlich (Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL) ist grundsätzlich allein maßgebend, ob die JPöR auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt. Von der allgemeinen Regel abweichend können (dürfen) die "Mitgliedstaaten die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen". Was aber heißt "behandeln"? Schon die Rechtsklarheit spräche dafür, dass dies ausdrücklich geregelt sein muss und es nicht ausreicht, wenn sich das nur aus einer langjährigen Rechtsprechung ergibt.
Die zweite Frage, die sich stellt, wenn die Verknüpfung mit dem KSt-Recht und der Rechtsprechung hierzu ausreichend sein sollte, ist die, ob der Wettbewerbsvorbehalt der Richtlinienregelung nur zulasten der JPöR oder auch zu deren Gunsten gilt. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL enthält als Ausnahme von der Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige für diejenigen Tätigkeiten oder Leistungen, die diese im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, einen Wettbewerbsvorbehalt. Steht die Tätigkeit der JPöR im Wettbewerb mit Privaten und kann ihre Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige "zu größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen, sind auch die JPöR insoweit Unternehmer. Im Besprechungsfall macht aber die JPöR geltend, sie werde durch die Versagung des Vorsteuerabzugs benachteiligt. Ob der Wettbewerbsvorbehalt auch zugunsten gilt, das muss der EUGH ebenso entscheiden, wie die Frage, ob -- bei grundsätzlicher Freiheit der Rechtssetzungstechnik, wie die verbindliche Gemeinschaftsrichtlinie im nationalen Recht umgesetzt wird -- die oben beschriebene "Umsetzung" ausreicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 20.12.2007, V R 70/05