2.1 Einführung und Motivation

 

Rz. 889

Das GmbHG geht im Grundsatz von einer zweigliedrigen Organisation der Gesellschaft durch Gesellschafter und Geschäftsführer aus. Eine Pflicht zur Einrichtung eines weiteren Organs in Form eines (obligatorischen) Aufsichtsrats besteht nur dann, wenn die GmbH besondere Voraussetzungen hinsichtlich der Anzahl von Arbeitnehmern oder des Unternehmensgegenstandes erfüllt und aus diesem Grund den Bestimmungen des MitbestG, MontanmitbestG, DrittelbG oder des MitbestErgG unterliegt (dazu näher Rn. 991 ff.). Außerhalb dieser Vorschriften ist es den Gesellschaftern überlassen, zu entscheiden, ob sie fakultativ eine weitere Organisationseinheit schaffen.

 

Rz. 890

Der Einrichtung eines weiteren Organs oder Gremiums durch die Gesellschafterversammlung können unterschiedlichste Motivationen zugrunde liegen. In vielen Fällen möchten die Gesellschafter hierdurch eine sachkundige Überwachung und/oder Beratung der Geschäftsführer erreichen und besetzen das Organ dementsprechend mit Personen, die über bestimmte fachliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Ebenso können Gesellschafterinteressen durch eine entsprechende Tätigkeit des Organs besser in das Alltagsgeschäft eingebunden oder gesellschaftsfremden Dritten eine Einflussnahme ermöglicht werden.[1] In Familiengesellschaften kann die Einrichtung eines Überwachungs- und Kontrollorgans sinnvoll sein, wenn sich der "Patriarch" aus der Geschäftsführung zurückziehen und sein Amt niederlegen will, sich aber weiterhin die Möglichkeit offenhalten möchte, die weitere Entwicklung des Unternehmens durch seine Kinder oder Familienfremde an der Unternehmensspitze durch seine eigene Tätigkeit in einem Aufsichtsrat oder Beirat zu überwachen bzw. zu beeinflussen. Denkbar ist auch, in Gesellschaften mit einem großen Gesellschafterkreis Gesellschafterrechte auf einen Beirat oder Aufsichtsrat zu verlagern, der schneller und ggf. (bei entsprechender Besetzung) kompetenter Entscheidungen treffen kann. In einem Beirat oder Aufsichtsrat können auch die Entscheidungsbefugnisse von Familienstämmen gebündelt werden. Bei der Beteiligung von Investoren (z. B. an Start-ups) bestehen diese häufig auf der Einrichtung eines Beirats oder Aufsichtsrats, verbunden mit Sonderrechten wie dem Recht, eine oder mehrere Personen in dieses Gremium zu entsenden (so dass sie in dem Gremium ggf. eine größere Stimmrechtsmacht haben als in der Gesellschafterversammlung), Vetorechten, dem Recht, den Vorsitzenden zu stellen etc. Letztlich kann die Einrichtung eines weiteren Organs oder Gremiums auf verschiedensten Gründen beruhen, wobei die jeweilige Funktion sich regelmäßig in den dem betreffenden Organ zugewiesenen Kompetenzen widerspiegelt.

[1] Kautzsch, in Römermann, MAH GmbH-Recht, § 18 Rn. 5.

2.2 Zur Begrifflichkeit "Aufsichtsrat", "Beirat" und "Organ"

 

Rz. 891

In der GmbH-Praxis werden in vielen Fällen zusätzliche Gremien als "Beiräte", "Verwaltungsräte", "Aufsichtsräte", "Risikogremien" oder "Ausschüsse" gebildet. In zahlreichen Abhandlungen werden Kriterien dafür erörtert, wie diese Einheiten in die Kategorie "Aufsichtsrat" einerseits und "Beirat" andererseits einzuordnen sind: "Aufsichtsräte" seien hierbei Organe im Sinne des § 52 GmbHG, "Beiräte" stellten dagegen ein weiteres, von § 52 GmbHG nicht erfasstes Gremium dar. Diese weit verbreitete Differenzierung zwischen einem "Aufsichtsrat" im Sinne des § 52 GmbHG und einem "Beirat" als weiterem Gremium gründet insbesondere darin, dass der Begriff "Aufsichtsrat" durch das Aktiengesetz geprägt ist, so dass der Rechtsverkehr bei Verwendung dieses Begriffes ein an den Vorschriften des AktG orientiertes Gremium (insbesondere mit den im AktG dafür vorgesehenen Kompetenzen und Überwachungspflichten gegenüber der Geschäftsleitung) erwartet; bei einem "Beirat" besteht dagegen eine derartige Erwartungshaltung nicht. Im Ergebnis besteht allerdings Einigkeit darin, dass die konkrete Bezeichnung als "Aufsichtsrat" oder "Beirat" für die rechtliche Einordnung, ob ein Organ im Sinne des § 52 GmbHG vorliegt, irrelevant ist, entscheidend sind hierfür vielmehr die konkreten Kompetenzen, die die Gesellschafter dem Organ bzw. Gremium tatsächlich einräumen. Dies wird verschiedentlich durch die Formulierung auf den Punkt gebracht: "Ohne Überwachung kein Aufsichtsrat, sondern ein Beirat".[1]

 

Rz. 892

Die "richtige" Bezeichnung des Beratungs- oder Kontroll-Organs als "Beirat" oder "Aufsichtsrat" wird zusätzlich dadurch erschwert, dass § 52 Abs. 1 GmbHG für den fakultativen "Aufsichtsrat" einer GmbH zahlreiche Vorschriften, die das AktG für den Aufsichtsrat vorsieht, der Disposition der Gesellschafter unterstellt und somit insoweit die Ausgestaltung des "Aufsichtsrats" im Ermessen der Gesellschafter steht. Hierdurch werden die Grenzen zwischen Aufsichtsrat und Beirat in der nicht mitbestimmten GmbH fließend.

 

Rz. 893

Jedenfalls dann, wenn die Bestimmungen, die die Gesellschafter zu der Einrichtung des betreffenden Organs, seinen Kompetenzen, Rechten und Pflichten getroffen haben, lückenhaft oder interpretationsbedürftig sind, kann die Bezeichnung...

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