Rz. 1069

Der BGH[1] hat in einer weithin beachteten Entscheidung ("MPS") Ende 2008 zu upstream-Darlehen einer abhängigen Aktiengesellschaft in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung Folgendes entschieden:

Zitat

1. Die Gewährung eines unbesicherten, kurzfristig rückforderbaren "upstream-Darlehens" durch eine abhängige Aktiengesellschaft an ihre Mehrheitsaktionärin ist kein per se nachteiliges Rechtsgeschäft i. S. von § 311 AktG, wenn die Rückzahlungsforderung im Zeitpunkt der Darlehensausreichung vollwertig ist. Unter diesen Voraussetzungen liegt auch kein Verstoß gegen § 57 AktG vor, wie dessen Abs. 1 Satz 3 n. F. klarstellt.

2. Unberührt bleibt die aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG folgende und nicht durch §§ 311, 318 AktG verdrängte Verpflichtung der Verwaltungsorgane der abhängigen Gesellschaft, laufend etwaige Änderungen des Kreditrisikos zu prüfen und auf eine sich nach der Darlehensausreichung andeutende Bonitätsverschlechterung mit einer Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten zu reagieren. Die Unterlassung solcher Maßnahmen kann ihrerseits unter § 311 AktG fallen und Schadensersatzansprüche aus §§ 317, 318 AktG (neben solchen aus §§ 93 Abs. 2, 116 AktG) auslösen.

Diese Grundsätze finden auch auf die abhängige GmbH Anwendung.[2]

Die zitierte Entscheidung des BGH hat einerseits die Konzernfinanzierung erleichtert, andererseits nichts daran geändert, dass das bei der Konzernfinanzierung international gebräuchliche Instrument des Cash Pooling weiterhin mit besonderen Haftungsrisiken verbunden bleibt: Hierbei werden flüssige Mittel der Konzerngesellschaften bei der Muttergesellschaft zusammengefasst und als Instrument zum Liquiditätsausgleich im Konzern eingesetzt (sog. physisches Cash Pooling zur Abgrenzung von dem virtuellen Cash Pooling). Zivilrechtliche Grundlage ist ein Darlehen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft (upstream loan) bzw. dann, wenn die Tochtergesellschaft liquide Mittel erhält, ein Darlehen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft (downstream loan).

 

Rz. 1070

Upstream loans können unter verschiedenen Aspekten zu einer Haftung von Geschäftsführern und Aufsichtsrats-/Beiratsmitgliedern führen:

  • Ist der upstream loan bei Darlehensgewährung (auch im Rahmen eines Cash Poolings) nicht werthaltig, kann ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregel des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorliegen, für den die Geschäftsführer nach § 31 Abs. 6 GmbHG und § 43 GmbHG sowie der Aufsichtsrat/der mit der Überwachung der Geschäftsleitung betraute Beirat nach den § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. §§ 116, 93 AktG schadensersatzpflichtig sind.
  • Ist der upstream loan bei Darlehensgewährung (auch im Rahmen eines Cash Poolings) werthaltig, müssen Geschäftsführer und Beirat nach der MPS-Entscheidung des BGH "laufend etwaige Änderungen des Kreditrisikos prüfen und auf eine sich nach der Darlehensausreichung andeutende Bonitätsverschlechterung mit einer Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten reagieren". Dies macht die Einrichtung eines geeigneten Informations- oder "Frühwarnsystems" zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft erforderlich. Unterbleibt die Einrichtung eines derartigen Informations- oder "Frühwarnsystems" oder reagieren Geschäftsführer und Beirat auf eine sich nach der Darlehensausreichung andeutende Bonitätsverschlechterung nicht mit einer Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten, machen sie sich schadensersatzpflichtig.
  • Außerdem müssen Geschäftsführer § 64 Satz 3 GmbHG beachten: Erfolgt die Kreditgewährung an die Konzernmutter (innerhalb oder außerhalb eines Cash Pooling Systems) unter Missachtung der eigenen Liquiditätsbedürfnisse der kreditgebenden GmbH und führt dies zur Insolvenz der Gesellschaft, haften Geschäftsführer der Gesellschaft auf Schadensersatz, "wenn der Eintritt der Illiquidität bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt zum Zeitpunkt der Kreditgewährung hätte prognostiziert werden können".
[2] Lieder, GmbHR 2009, S. 1177 ff.

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