BMF, Schreiben v. 20.12.2005, IV C 3 - S 2256 - 255/05, BStBl I 2006, 8

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zu Zweifelsfragen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung gegen Einlage wie folgt Stellung:

Erhöht eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital gegen Einlage nach §§ 182 ff. AktG, führt die Zuteilung der Bezugsrechte nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen beim bisherigen Aktionär.

Durch die Gewährung der Bezugsrechte erwirbt der Aktionär einen Anspruch auf entgeltlichen Erwerb der neuen („jungen”) Aktien. Diese Bezugsrechte sind Bestandteil seines Aktionärsrechts und scheiden mit ihrer Zuteilung aus der Substanz der Altaktien aus. Die Bezugsrechte werden vom Aktionär nicht gesondert angeschafft; ihr Erwerb ist bereits im Erwerb der Altaktien angelegt. Die Kapitalerhöhung gegen Einlage in das Grundkapital führt zu einer Abspaltung der in den Altaktien verkörperten Substanz und dementsprechend zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten. Die bisherigen Anschaffungskosten der Altaktien vermindern sich um den Teil, der durch die Abspaltung auf die Bezugsrechte entfällt (Gesamtwertmethode). Dieser Wert ist nach dem Verhältnis des niedrigsten Börsenkurses der Bezugsrechte am ersten Handelstag zum niedrigsten Börsenschlusskurs der Altaktien am letzten Tag vor dem Bezugsrechtshandel zu ermitteln. Als Börsenkurse sind dabei unter sinngemäßer Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG jeweils die niedrigsten an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelten Kurse anzusetzen. Als Zeitpunkt der Anschaffung der Bezugsrechte gilt der Zeitpunkt der Anschaffung der Altaktien.

Die Ausübung von Bezugsrechten ist als Veräußerung der Bezugsrechte anzusehen (BFH-Urteil vom 21.9.2004 – BStBl 2006 II S. …). Erfolgt die Ausübung innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung der Altaktien, liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. Als Zeitpunkt der Veräußerung gilt der Tag der Annahme des Bezugsrechtsangebots. Als Veräußerungserlös ist der Börsenkurs der Bezugsrechte im Zeitpunkt der Annahme des Bezugsrechtsangebots zu sehen. Als Börsenkurs ist dabei unter sinngemäßer Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG der niedrigste an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelte Kurs anzusetzen. Mit der Ausübung der Bezugsrechte werden die bezogenen Aktien angeschafft. Zu den Anschaffungskosten dieser Aktien gehört auch der Veräußerungserlös der Bezugsrechte.

Der Gewinn aus der Veräußerung von Bezugsrechten aus einer Kapitalerhöhung gegen Einlage innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung der Altaktien ist ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (BFH-Urteil vom 22.5.2003 – BStBl 2003 II S. 712). Werden durch Ausübung der Bezugsrechte erlangte Aktien innerhalb eines Jahres nach Ausübung der Bezugsrechte veräußert, ist der dabei erzielte Gewinn ebenfalls als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig. Zu den Anschaffungskosten der bezogenen Aktien gehört auch der Veräußerungserlös der Bezugsrechte.

Beispiel:

B hat am 10.1.01 3.000 Aktien der A-AG zum Kurs von 8 EUR angeschafft. Die A-AG beschließt am 31.5.01 eine Kapitalerhöhung gegen Einlage. Für jeweils zwanzig Stammaktien hat der Aktionär das Recht, am 1.7.01 eine junge Aktie zum Preis von 10 EUR zu erwerben. Vom 1.6.01 bis zum 30.6.01 werden die Bezugsrechte an der Börse gehandelt. Der niedrigste Börsenschlusskurs der A-Aktie am 31.5.01 betrug 11 EUR. Das Bezugsrecht wurde am 1.6.01 mit dem niedrigsten Kurs von 0,05 EUR gehandelt.

B erwirbt zu den ihm zugeteilten 3.000 Bezugsrechten am 30.6.01 5.000 weitere Bezugsrechte zum Kurs von 0,06 EUR hinzu (niedrigster Börsenkurs) und nimmt am selben Tag das Angebot zum Bezug von 400 neuen Aktien zum Preis von je 10 EUR an. B veräußert am 10.8.01 sämtliche Aktien der A-AG zum Kurs von 15 EUR.

Die Ausübung der Bezugsrechte innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung der Altaktien (10.1.01) ist ein Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Gleiches gilt für die Veräußerung sämtlicher Aktien, weil zwischen Anschaffung (alte Aktien 10.1.01, neue Aktien 30.6.01) und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt.

Der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG beträgt:

Veräußerungsgewinn der originären Bezugsrechte:

Veräußerungserlös 3.000 × 0,06 EUR   180 EUR

Anschaffungskosten der Bezugsrechte:

Der Wert jeder Altaktie am 1.6.01 mindert sich um den Wert des Bezugsrechts je Altaktie von 0,05 EUR. Im Verhältnis zum Börsenkurs am 31.5.01 von 11 EUR ergibt sich eine Wertminderung von 0,45 %. Die Anschaffungskosten eines Bezugsrechts betragen somit 0,45 % von 8 EUR = 0,036 EUR.

  3.000 × 0,036 EUR   109 EUR
Veräußerungsgewinn     71 EUR

Bei der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ergibt sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 35 EUR.

Veräußer...

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