Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. "Veräußerungspreis" i.S.v. § 16 Abs. 2 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös aus der Betriebsveräußerung.
2. Spätere Veränderungen des ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises sind solange und soweit auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat
Normenkette
§ 16 Abs. 2 EStG, § 9 BewG, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 7.1.2000 GmbH-Geschäftsanteile an eine Schweizer Aktiengesellschaft. Die Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte mit sofortiger dinglicher Wirkung. Am 31.1.2000 vereinbarten die Vertragsparteien, dass die zweite Rate des Kaufpreises am 30.6.2000 fällig werde. Der Betrag sollte zu 50 % in bar und zu 50 % in Namensaktien der an der Schweizer Börse notierten Erwerbsgesellschaft geleistet werden. Außerdem vereinbarten sie eine Erhöhung des Kaufpreises, der gleichfalls durch die Übertragung von Namensaktien der Erwerbergesellschaft erfüllt werden sollte. Die Abgeltung in Namensaktien sollte zum Kurswert vom 31.1.2000 erfolgen, der sich auf 620 CHF belief. Die Namensaktien sollten bis zum 30.6.2000 in einem auf den Namen des Klägers lautenden Depot der Erwerberin verwahrt werden. Mit Abtretungserklärung vom 15.9.2000 wies die Erwerbergesellschaft das Schweizer Aktienregister an, die Namensaktien unter Besitzwechsel auf ein auf den Kläger lautendes Bankdepot zu übertragen.
Das FA legte bei der Berechnung des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf der GmbH-Anteile als gemeinen Wert der Inhaberaktien den geschätzten Börsenwert zum Zeitpunkt der Abtretung im September 2000 in Höhe von 900 DM je Namensaktie zugrunde.
Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab (FG Nürnberg, Urteil vom 15.3.2012, 7 K 180/11).
Entscheidung
Der BFH wies die auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
Die Vorentscheidung weiche nicht von dem Urteil des BFH vom 25.6.2009, IV R 3/07 (BFH/NV 2009, 2039, BFHE 226, 62) ab, auf das in seiner Entscheidung auch das FG Bezug genommen habe. In dem mit diesem Urteil entschiedenen Fall sei die Übertragung der Aktien als Gegenleistung für die erworbenen Gesellschaftsanteile in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Veräußerung und Übertragung der Geschäftsanteile erfolgt. Im vorliegenden Fall sei dagegen die Gegenleistung nicht unmittelbar bei der Veräußerung der Geschäftsanteile am 7.1.2000, sondern erst mit der Abtretungserklärung der Käuferin vom 15.9.2000 vollständig erbracht worden, sodass eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung nicht vorliege. Vielmehr sei das FG in seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Begriff des "Veräußerungspreises" in § 16 Abs. 2 EStG gefolgt.
Hinweis
1. Mit dem Begriff "Veräußerungspreis" in § 16 Abs. 2 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös aus der Betriebsveräußerung gemeint.
2. Deshalb hat eine Anrechnungsabrede nicht zur Folge, dass lediglich die von den Vertragsparteien veranschlagte Höhe des Gesamtkaufpreises als Gegenleistung für die Veräußerung anzusehen ist.
3. Dies gilt unabhängig davon, ob die vertraglichen Leistungen durch die Vertragsparteien endgültig festgelegt werden oder unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung stehen.
4. Danach sind später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Unerheblich ist dabei, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 19.09.2012 – VIII B 90/12 NV