Leitsatz
§ 17 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen. Mithin ist erforderlich, dass der Übertragende innerhalb des maßgeblichen Fünfjahreszeitraums nach der für diesen Zeitraum jeweils gültigen Rechtslage wesentlich/maßgeblich beteiligt war.
Normenkette
§ 17 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO
Sachverhalt
Die Mutter der Klägerin war Eigentümerin eines Aktienpakets im Nennwert von insgesamt 200.000 DM (1,04 %). Mit Vertrag vom 5.12.2000 übertrug sie die Hälfte des Aktienpakets (0,52 %) auf die Klägerin für 650.000 DM. Im Dezember 2002 veräußerte die Klägerin dieses Aktienpaket für 2.750.000 EUR.
Das FA nahm einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 2.750.000 EUR an und berücksichtigte diesen unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Nach einer tatsächlichen Verständigung änderte das FA die ESt-Festsetzung und berücksichtigte unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn von 552.285 EUR. Dabei ging das FA unter Ansatz eines Kurswerts von 1.100 % davon aus, dass die Klägerin die Aktien von ihrer Mutter zu 40,91 % unentgeltlich erworben habe und nur insoweit ein nach § 17 EStG steuerbarer Veräußerungsgewinn von 1.104.570 EUR vorliege. Nachdem das Einspruchsverfahren geruht hatte (wegen BVerfG, Beschluss vom 7.7.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BFH/NV 2010, 1976,BStBl II 2011, 86), vertrat das FA die Auffassung, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien insoweit als nicht steuerbar anzusehen sei, als er auf den Wertzuwachs vor der Verkündung des StSenkG und damit auf die Zeit bis zum 26.10.2000 entfalle. Zur Ermittlung des danach anzusetzenden Veräußerungsgewinns trete der gemeine Wert der veräußerten Anteile zum 26.10.2000 an die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten. Unter Rückgriff auf die tatsächliche Verständigung nahm das FA einen gemeinen Wert der Aktien von 1.100 % an. Mithin berücksichtigte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 18.7.2011 einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG von 894.944 EUR, den es unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens i.H.v. 447.472 EUR der geänderten ESt-Festsetzung zugrunde legte.
Die Klage, mit welcher die Klägerin die Minderung des zu versteuernden Veräußerungsgewinns nach Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf 426.552 EUR begehrte, hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.4.2015, 13 K 255/12). Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot habe das FA zutreffend unter Rückgriff auf den tatsächlichen Wert der Anteile zum 5.12.2000 bis zur Verkündung des StSenkG entstandene Wertsteigerungen bei der Besteuerung nicht berücksichtigt.
Entscheidung
Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung aufgehoben und den Einkommensteuerbescheid dahin gehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 EStG auf 426.552 EUR herabzusetzen sind. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Über den vor dem FG gestellten Antrag konnte der BFH nicht hinausgehen.
Hinweis
Im erstinstanzlichen Verfahren stritten sich die Beteiligten über die Höhe des nach § 17 EStG zu berücksichtigenden Veräußerungsgewinns. Tatsächlich jedoch ging es um die Frage, ob überhaupt eine steuerbare Anteilsveräußerung vorlag.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der seit dem StSenkG gültigen Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.
Die Klägerin erwarb eine Beteiligung von lediglich 0,52 % und war – da sie nicht über weitere Aktien der AG verfügte – selbst nicht relevant i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG an der Gesellschaft beteiligt.
2. Da die Klägerin die Aktien jedoch teilweise unentgeltlich erworben hatte, prüfte der BFH auch die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG muss auch der unentgeltliche Erwerber die Anteilsveräußerung versteuern, wenn er den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und er zwar nicht selbst, aber sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre maßgeblich/wesentlich beteiligt war.
Die Norm ist nach der Senatsrechtsprechung VZ-bezogen auszulegen. Das bedeutet, dass die Beteiligungsgrenze für jeden VZ innerhalb des Fünfjahreszeitraums nach der im jeweiligen Jahr gültigen Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.
Die Beteiligung der Mutter i.H.v. 1,04 % war bis zur teilentgeltlichen Übertragung (5.12.2000) nicht wesentlich/maßgeblich i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG, weil die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 abgesenkte Beteiligungsquote von mindestens 10 % galt. Erst nach der Übertragung wurde die maßgebliche Beteiligungsgrenze durch das StSenkG auf mindestens 1 % herabgesetzt.
3. Mit dieser Entscheidung führt der BFH die bisherige Rechtsprechung konsequent fo...