5.7.1 Handelsrecht
Rz. 89
Handelsrechtlich ist eine Verbindlichkeit auch dann mit ihrem Erfüllungsbetrag auszuweisen, wenn die vereinbarten Zinsen unterhalb des marktüblichen Zinsniveaus liegen oder die Verbindlichkeit sogar unverzinslich ist. Eine Abzinsung käme einer Vorwegnahme künftiger Erträge gleich und würde daher gegen das Realisationsprinzip verstoßen. Eine Abzinsung ist auch für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, anders als es für Rückstellungen nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgeschrieben ist, handelsrechtlich nicht zulässig.
5.7.2 Steuerrecht
Rz. 90
Steuerrechtlich sind unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen.
Ausgenommen von der Abzinsung in der Steuerbilanz sind
- Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt,
- Verbindlichkeiten, die verzinslich sind,
- auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhende Verbindlichkeiten,
- Verbindlichkeiten unter einer Auflage, nach der die Vorteile aus der Zinslosigkeit dem Schuldner nicht verbleiben, z. B. Wohnungsbaudarlehen mit der Verpflichtung, an bestimmten Personenkreis zu vermieten.
Rz. 91
Verzinslich ist eine Verbindlichkeit, wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart ist. Eine Vereinbarung eines Zinssatzes nahe 0 % sollte im Einzelfall als missbräuchliche Gestaltung i. S. von § 42 AO zu beurteilen sein. Diese Auffassung wurde in einer späteren Verwaltungsanweisung und Rechtsprechung nicht mehr vertreten. Daher ist auch bei geringfügigster Verzinsung nahe 0 % eine Verpflichtung nicht als unverzinslich nach § 42 AO anzusehen. In Zeiten allgemeiner niedriger Verzinsung ist hier von geringen Anforderungen auszugehen.
Nach Auffassung des FG Hamburg bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten und sonstigen Rückstellungen in der Steuerbilanz.
Rz. 92
Ist keine, auch nicht eine geringe Verzinsung vereinbart, ist die Verbindlichkeit abzuzinsen, wenn die Restlaufzeit 12 oder mehr Monate beträgt. Für die 12-Monats-Grenze ist die Restlaufzeit am Bilanzstichtag maßgebend.
Das Geschäfts- und Wirtschaftsjahr des Unternehmers U stimmt mit dem Kalenderjahr überein. U hat im Januar 01 ein zinsloses Darlehen über 200.000 EUR aufgenommen, das am 31.12.03 zurückzuzahlen ist.
Buchung im Januar 01:
Bank |
200.000 EUR |
|
an Verbindlichkeit |
200.000 EUR |
Zum 31.12.01 ist die Verbindlichkeit in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz mit dem Erfüllungsbetrag von 200.000 EUR zu bilanzieren. Zum 31.12.01 ist das Darlehen in der Steuerbilanz auf den Barwert mit dem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Die Restlaufzeit bis zum 31.12.03 beträgt 2 Jahre.
Barwert:
K0 = Barwert am Bilanzstichtag
Kn = Rückzahlungsbetrag
i = Zinssatz als Dezimalzahl
n = Laufzeit
Barwert bei einem Zinssatz von 5,5 %:
K0 = 200.000 × |
1 |
|
(1 + 0,055)2 |
|
K0 = 200.000 EUR × 0,8984524
K0 = 179.690 EUR
Die Differenz zwischen dem Erfüllungsbetrag und dem Barwert ist die Abzinsung: 200.000 EUR – 179.690 EUR = 20.310 EUR. Es handelt sich in der steuerlichen Gewinnermittlung um Ertrag. U bucht:
Verbindlichkeit |
20.310 EUR |
|
an Zinsertrag |
20.310 EUR |
Rz. 93
Ist eine Verbindlichkeit zwar nicht verzinslich, stehen ihr aber andere wirtschaftliche Nachteile gegenüber, z. B. ist das Unternehmen zur unentgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens verpflichtet, ist die Verbindlichkeit nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt verzinslich.
Rz. 94
So sind regelmäßig auch Ratenkäufe zu behandeln, wenn die insgesamt zu zahlenden Raten über dem üblichen Barzahlungspreis liegen. Als Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit und als Anschaffungskosten der gekauften Gegenstände ist der Barwert anzusetzen.