Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
§ 367 Abs. 2 S. 2 AO ist auf Änderungen des angefochtenen Steuerbescheids während des Einspruchsverfahrens nach § 132 AO i.V.m. § 164 Abs. 2 AO entsprechend anzuwenden, wenn die Änderungsmöglichkeit nur deshalb besteht, weil die Festsetzungsfrist durch den Einspruch gem. § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf gehemmt ist.
Normenkette
§ 132, § 164 Abs. 2, § 171 Abs. 3a. AO
Sachverhalt
Der maßgebende Sachverhalt ergibt sich schon aus Nr. 1. Das FG sah das FA nach § 132 i.V.m. § 164 Abs. 2 AO als berechtigt an, den Feststellungsbescheid zu ändern, weil wegen des Einspruchs die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.
Entscheidung
Hierin nun lagen der Rechtsfehler der Entscheidung und damit der Grund für die Aufhebung des Urteils nach § 126 Abs. 3 FGO. Denn wenn das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2008, 2 K 3632/06 F, Haufe-Index 2017575, EFG 2008, 1170) schon den Weg über § 164 Abs. 2 AO geht, wäre das FA verpflichtet gewesen, K auf die Verböserung hinzuweisen.
Der BFH konnte aber – wie schon erwähnt – nicht durchentscheiden. Für den oben unter 2. geschilderten einfachen Weg fehlten Feststellungen des FG zu den Voraussetzungen nach § 181 Abs. 5 AO. Diese muss es nun nachholen. Ist danach eine geänderte Feststellung ungeachtet der Rücknahme des Einspruchs nach § 10d Abs. 3 S. 4 EStG i.V.m. § 181 Abs. 5 S. 1 AO zulässig, ist ein Verböserungshinweis entbehrlich. Kann das FG aber die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO nicht feststellen, wäre der Weg über § 132 AO nur gangbar, wenn das FA einen Verböserungshinweis erteilt hätte. Das Unterlassen dieses Hinweises ist ein wesentlicher Verfahrensmangel und kann K in die Lage zurückversetzen, in der er sich ohne den Verfahrensmangel befand.
Hinweis
1. Komplizierte verfahrensrechtliche Fälle kann man nicht verstehen, ohne wichtige zeitliche Eckpunkte des Sachverhalts im Auge zu behalten. So hatte hier das FA für Herrn K. den zum 31.12.1995 verbleibenden Verlustabzug unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert festgestellt und dabei einen anderweitig festgestellten Verlust aus einer betrieblichen Beteiligung des K sowie Verlustrückträge in die Jahre 1993 und 1994 berücksichtigt. Hiergegen legte K Einspruch ein, da in den ESt-Bescheiden 1993 und 1994 Verluste nicht berücksichtigt worden seien. Wegen anhängiger FG-Verfahren ruhte das Verfahren. 2003 wurden dann Einkünfte aus der betrieblichen Beteiligung anderweitig festgestellt und das FA änderte am 08.08.2006 die Verlustfeststellung und hob während des anschließenden Klageverfahrens den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
2. An sich wäre der Fall einfach zu lösen: Der angefochtene Feststellungsbescheid ist nach § 10d Abs. 3 S. 4 EStG zu ändern, soweit sich der bislang festgestellte Verlust ändert, und er ändert sich, weil die Einkünfte aus der betrieblichen Beteiligung abweichend festgestellt wurden und sich dadurch der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust geändert hat. Aufgrund dieser Korrektur war auch der ESt-Bescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu berichtigen. Es kam nicht darauf an, dass bereits die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO und damit auch Festsetzungsfrist abgelaufen waren: Denn § 10d Abs. 3 S. 4 EStG (Wortlaut: "zu ändern ist") setzt nicht voraus, dass der entsprechende Steuerbescheid tatsächlich geändert wird. Die geänderte Verlustfeststellung hätte nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist geändert werden können, wenn sie für einen späteren Einkommen- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist nicht abgelaufen war. Hierzu hatte das FG aber keine Feststellungen getroffen, weil es einen anderen – aber nicht gangbaren – Weg eingeschlagen hatte.
3. Das FG hatte über den Änderungsbescheid vom 08.08.2006 entschieden, nicht aber über den im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheid, mit dem das FA den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben hatte. Ob nun das Verfahren nach dem Sinn des § 68 S. 1 FGO fortzusetzen war und eine Richtigstellung ausreichte, konnte der BFH offen lassen, weil das FG-Urteil schon aus anderen Gründen aufzuheben war.
4. Dieser Grund betraf den Weg, auf dem das FG die Änderungsbefugnis des FA bejahte. Denn es hielt das FA während des Einspruchsverfahrens nach §§ 132, 164 Abs. 2 AO zur Korrektur berechtigt. Die Festsetzungsfrist war durch den Einspruch nach § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf gehemmt. Außerdem gelte § 367 Abs. 2 S. 2 AO mit dem Verböserungshinweis nur für Entscheidungen über den Einspruch. Hier scheint das Problem des Falls auf: Einerseits profitiert das FA vom Einspruch (Ablaufhemmung), kann aber andererseits ohne die Schranke des § 367 Abs. 2 AO verbösern. Das Ergebnis kann doch nicht stimmen!
5. Es stimmt auch nicht. Allerdings gilt § 367 Abs. 2 S. 2 AO seinem Wortlaut nach nur für Verböserungen durch die Einspruchsentscheidung. Bei einer dem Sinn und Zweck des Gesetzes gehorchenden Auslegung kann man aber über den Wor...