OFD Magdeburg, Verfügung v. 28.7.2014, S 0130 - 111 - St 251
1. Allgemeines zum Verbraucherinsolvenzverfahren
Die Insolvenzordnung (InsO) bietet Verbrauchern die Möglichkeit, innerhalb von 3 bis 5 Jahren (§ 300 Abs. 1 InsO) ihre Schulden zu bereinigen. Das sog. Verbraucherinsolvenzverfahren setzt voraus, dass eine Einigung mit den Gläubigern – auch dem Finanzamt – außerhalb des gerichtlichen Verfahrens innerhalb von sechs Monaten vor Antragstellung versucht worden ist.
Gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Schuldner mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag eine Bescheinigung vorzulegen, die von einer geeigneten Person oder Stelle ausgestellt ist und aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist; die Länder können bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind.
Geeignete Personen und geeignete Stellen zur Ausstellung der Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind gem. § 1 des Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 17.11.1998 (AGInsO LSA, GVBl. LSA S. 461)
die Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer sowie die Inhaber einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz, die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind,
sowie
- diejenigen Stellen, die von der nach § 4 Abs. 3 AGInsO LSA zuständigen Behörde als geeignet anerkannt worden sind. Die Anerkennung ist widerruflich und kann mit Nebenbestimmungen erteilt werden (§ 4 Abs. 2 AGInsO LSA).
Mangels einer entsprechenden Regelung im AG InsO LSA gilt die Anerkennung in einem anderen Bundesland nicht in Sachsen-Anhalt.
Eine Zusammenstellung der von der in Sachsen-Anhalt für die Anerkennung von Schuldnerberatungsstellen zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Landesverwaltungsamt (Landesjugendamt) Sachsen-Anhalt, anerkannten Schuldnerberatungsstellen enthält die im Landesportal Sachsen-Anhalt eingerichtete Internetseite http://www.sachsenanhalt.de/zg/familien-undgemeinschaften/familienratgeber/adressen/schuldnerberatungsstellen/.
2. Anerkannte Schuldnerberatungsstellen
Eine der Eignungsvoraussetzungen für die Anerkennung einer Stelle ist, dass sie über zuverlässiges Personal verfügt (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AG InsO LSA i.V.m. Nr. 2.1 Buchst. c der Richtlinie für das Verfahren zur Anerkennung von geeigneten Stellen im Verbraucherinsolvenzverfahren – RdErl. des MS vom 24.10.1998, MBl. LSA 1998 S. 2194).
Bezüglich der Frage, ob die Finanzämter die zuständige Aufsichtsbehörde unterrichten dürfen, wenn ihnen bekannt wird, dass der Betreiber oder Leiter einer Schuldnerberatungsstelle i.S. des § 305 InsO selbst persönlich verschuldet ist und deshalb seine für die Schuldnerberatung erforderliche Zuverlässigkeit fraglich erscheint, gilt Folgendes:
Eine persönliche Verschuldungssituation eines Betreibers oder Leiters einer Schuldnerberatungsstelle i.S. des § 305 InsO spricht nicht ohne Weiteres gegen dessen Zuverlässigkeit.
Es sind jedoch Fälle denkbar, wo die Verschuldungssituation ein solches Maß erreicht, dass an einer Mitteilung an die Aufsichtsbehörde ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Ob die Verschuldungssituation eine Mitteilung an die Aufsichtsbehörde nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO rechtfertigt, hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab.
Als Richtschnur kann das BMF-Schreiben vom 19.12.2013 (BStBl 2014 I S. 19) herangezogen werden, welches Auskünfte an Gewerbebehörden in gewerberechtlichen Verfahren betrifft und nähere Regelungen zu der Frage enthält, unter welchen besonderen Voraussetzungen rückständige Personensteuern eine Mitteilung an die Gewerbebehörde gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO rechtfertigen. Von Bedeutung ist insoweit neben dem Zusammenhang der Personensteuerrückstände mit dem (zu untersagenden) Gewerbe auch die Mindesthöhe der Rückstände von 5.000 EUR.
3. Nicht anerkannte, jedoch als solche auftretende Schuldnerberatungsstellen
Tritt im Verwaltungsverfahren in Steuersachen eine Person oder eine Personenvereinigung (z.B. ein Verein) auf, die von der zuständigen Aufsichtsbehörde nicht als Schuldnerberatungsstelle anerkannt ist, gelten die folgenden Grundsätze.
Das Finanzamt ist befugt, die zuständige Aufsichtsbehörde über die Existenz der Person/der Personenvereinigung, über die für die Personenvereinigung verantwortlich handelnde(n) Person(en) und über die Tätigkeit der Person/der Personenvereinigung auf dem Gebiet der Schuldnerberatung im Verbraucherinsolvenzverfahren zu unterrichten. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung besteht nicht. Die Offenbarung eventueller Steuerrückstände der handelnden Person(en)/der Personenvereinigung ist in diesem Verfahrensstadium nicht zulässig:
Für die Unterrichtung der Aufsichtsbehörde durch das Finanzamt über den im Besteuerungsverfahren bekannt gewordenen Sachverhalt besteht – mit Ausnahme der Mitteilung der Abgaben...