Lisa Möllenbeck, Anna-Lena Glander
Bestehen angesichts des Verdachts strafbarer Handlungen Anhaltspunkte für Verdunkelungsgefahr, sollte regelmäßig – ggf. in Abstimmung mit Rechtsanwälten und/oder den Ermittlungsbehörden – geprüft werden, ob und inwieweit der zugrundeliegende Sachverhalt überhaupt durch unternehmensinterne Untersuchungen (vor-)geklärt werden sollte. Zwar besteht i. d. R. keine Pflicht zur Information der Strafverfolgungsbehörden, doch es könnte den Unternehmensinteressen schaden, wenn Ermittlungsbehörden zu einem späteren Zeitpunkt in der Öffentlichkeit den Vorwurf erheben, das Unternehmen habe durch eigene Untersuchungsmaßnahmen strafrechtliche Ermittlungen verzögert oder behindert.
Unabhängig hiervon ist bei bußgeldbedrohten oder strafbaren Handlungen immer zu prüfen, ob sich die Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden nicht schon allein wegen der Schwere der mutmaßlichen Verstöße bzw. Straftaten empfiehlt, z. B., weil eine Straftat zulasten des Unternehmens selbst in Rede steht, eine strafbefreiende Selbstanzeige zugunsten der Leitungspersonen des Unternehmens oder eine Sanktionsmilderung zugunsten des Unternehmens in Betracht kommen, oder Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden erfolgversprechender als eigene Untersuchungen erscheinen. Beispielsweise kommt unter Umständen, wie etwa beim Einsatz von Videokameras, auf denen die in Verdacht stehende Straftat aufgezeichnet sein könnte, ein Rückgriff auf die weiterreichenden Ermittlungsbefugnisse staatlicher Ermittlungsbehörden nach Einbindung dieser in Betracht. Diese Beurteilung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Einschaltung der Ermittlungsbehörden besteht, denn eine Rechtsverpflichtung zur Anzeigeerstattung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden besteht grundsätzlich nur bei sehr schwerwiegenden Delikten (insbesondere in den in § 138 StGB genannten Delikten wie z. B. Mord oder staatsgefährdende Straftaten).
Bei der Prüfung, ob Strafverfolgungsbehörden unabhängig von einer etwaigen Pflicht eingeschaltet werden sollen, ist zu beachten, dass sich Unternehmen bei dem Umgang mit gewissen Vorfällen, wie etwa gewerbsmäßiger oder organisierter Kriminalität in der Logistikkette, auf unbekanntes Terrain begeben und Ermittlungen ohne die Unterstützung spezialisierter staatlicher Stellen wenig erfolgversprechend erscheinen oder einen noch größeren Schaden im Unternehmen oder bei den betroffenen Personen anrichten können. Zudem drohen hier ggf. Reputationsschäden, da in der Öffentlichkeit später der Vorwurf aufkommen könnte, das Unternehmen habe die "Dinge unter den Teppich kehren" wollen. Schließlich könnte in einzelnen Fällen auch der Vorwurf der Beihilfe durch Unterlassen erhoben werden.
Ferner ist zu prüfen, ob nicht aufgrund spezieller Regelungen des Gefahrenabwehrrechts bei Verdachtsmomenten oder Verstößen Melde- und Anzeigepflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden bestehen. Das gilt insbesondere für den Umweltbereich, Produktsicherheitsthemen und den Lebensmittel- oder Pharmabereich. Ferner wurden auch durch das Zweite Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme, das sog. IT-Sicherheitsgesetz 2.0, Meldepflichten für Störungen der IT-Sicherheit eingeführt.