Rz. 17
Fremdvergleichspreis und gemeiner Wert
Der Bewertungsmaßstab der vGA ist der Fremdvergleichspreis, d. h. der Betrag, um den das tatsächlich vereinbarte Entgelt von dem Preis abweicht, den fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Mithin ist die Höhe der vGA ein Unterschiedsbetrag, nämlich zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem tatsächlich vereinbarten Entgelt. Der BFH hat erstmals mit Urteil v. 17.10.2001 den Fremdvergleichspreis als Bewertungsmaßstab angesetzt und damit nicht nur die vGA dem Grunde nach im Hinblick auf die Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis aus dem Fremdvergleich abgeleitet (Rz. 8 f.). Insofern stimmen die Höhe der vGA und die Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung, die die Kapitalgesellschaft aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung in Kauf genommen hat, überein. Demgegenüber hatte der BFH in seiner älteren Rechtsprechung noch die Auffassung vertreten, dass eine aus der Hingabe von Wirtschaftsgütern bestehende vGA mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG zu bewerten sein soll. Nutzungsüberlassungen sollen dagegen mit den erzielbaren Vergütungen anzusetzen sein. Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Letztere Einschränkung der Nichtberücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse ist mit dem Fremdvergleich nicht zu vereinbaren. Bereits die ältere Rechtsprechung hatte zur Ermittlung des gemeinen Werts einer vGA deshalb festgestellt, dass auch ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind und damit den Wertmaßstab des gemeinen Werts in Richtung eines Fremdvergleichspreises modifiziert. I. d. R. werden sich der gemeine Wert und der Fremdvergleichspreis eines Vermögensvorteils allerdings entsprechen.
Rz. 18
Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung
Von der Bewertung der vGA ist der Umfang und damit die Höhe der vGA zu unterscheiden. Besteht die gesellschaftsrechtliche Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung in der Unangemessenheit der Entgeltvereinbarung, besteht eine vGA nur in dem unangemessen hohen oder unangemessen niedrigen Teil des Entgelts für die Liefer- oder Leistungsbeziehung, d. h. im Umfang der Unangemessenheit (sog. "partielle vGA"). Ist demgegenüber das gesamte Leistungsverhältnis nicht schuldrechtlich, sondern im Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil insb. im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter oder zu einer diesem Gesellschafter nahestehenden Person keine klare, von vornherein abgeschlossene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung besteht (Rz. 11 ff.), ist die betreffende Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung in vollem Umfang als vGA anzusehen (vGA dem Grunde nach). Auf die materielle Angemessenheit der Vergütung selbst kommt es demgegenüber nicht an. Mit anderen Worten liegt eine vGA selbst dann und in vollem Umfang vor, wenn das Entgelt angemessen ist.
Rz. 19
Selbstkosten zzgl. Gewinnaufschlag als "Auffangbewertung"?
Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Schätzung des angemessenen Entgelts in Fällen, in denen sich die Leistungen nicht mehr feststellen lassen oder der gemeine Wert nicht bestimmbar ist (insbesondere bei Nutzungen), zumeist an den Selbstkosten, die der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Leistung entstanden sind (i. d. R. die Personalkosten), zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags. In der Betriebsprüfungspraxis führt diese Rechtsprechung vielfach dazu, dass eine vGA bereits dann angenommen wird, wenn das Entgelt die Selbstkosten einer Kapitalgesellschaft (zzgl. eines Gewinnaufschlags) für die entsprechende Lieferung oder Leistung nicht abdeckt. Die Bewertung der vGA erfolgt – auf Grundlage dieses Zirkelschlusses – dann zumeist mit den Selbstkosten, die i. d. R. um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. Diese Vorgehensweise verkennt, dass sowohl für die Feststellung einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung (vGA dem Grunde nach) als auch für die Bewertung der vGA (vGA der Höhe nach) der Preis zu bestimmen ist, den fremde Dritte unter sonst gleichen oder vergleichbaren Bedingungen vereinbart hätten. Mit anderen Worten ist der Vorteil ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Werts führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht. Wird der Fremdvergleichspreis dementsprechend unter Kostengesichtspunkten bestimmt (Vollkosten zzgl. eines...