Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Veruntreut ein Gesellschafter Betriebseinnahmen der Personengesellschaft, indem er veranlasst, dass in Kundenrechnungen der Gesellschaft ein Konto angegeben wird, von dem die übrigen Gesellschafter keine Kenntnis haben, und verwendet er anschließend die dortigen Zahlungseingänge für private Zwecke, so kann die nach Aufdeckung des Vorgangs an die Mitgesellschafter geleistete Ausgleichszahlung entweder betrieblich oder außerbetrieblich veranlasst sein. Von einer außerbetrieblichen Veranlassung ist auszugehen, wenn Inhaber des Kontos die Gesellschaft ist, die Zahlungseingänge als Betriebseinnahmen der Gesellschaft behandelt werden und der Gewinn nach dem allgemeinen Schlüssel verteilt wird.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Sachverhalt
Der Kläger ist Architekt und hatte sich an einer Architektengemeinschaft in der Rechtsform einer GbR beteiligt. Anlässlich seines Ausscheidens aus der GbR offenbarte der Kläger, dass er Honorare vereinnahmt hatte, die der Gesellschaft zustanden. Dazu hatte er ohne Wissen der anderen Gesellschafter Rechnungen erstellt und die Zahlungen auf ein Bankkonto erbeten, das er auf den Namen der GbR eingerichtet hatte und für das er einzelzeichnungsberechtigt war. Die eingegangenen Zahlungen hatte der Kläger zur Finanzierung privater Ausgaben sowie nach seinen Angaben auch für Sonderbetriebsausgaben verwendet. Das FA rechnete die nacherklärten Honorare der GbR als deren Einnahmen zu.
Die Mitgesellschafter verlangten Ersatzleistungen vom Kläger, zu deren Finanzierung der Kläger ein Darlehen aufnahm. Die ihm dadurch entstandenen Finanzierungskosten machte der Kläger erfolglos als nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit geltend. Auch mit seiner Klage beim FG kam der Kläger nicht weiter.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des Klägers statt und verwies die Sache an das FG zurück. Es könne noch nicht abschließend entschieden werden, ob die geltend gemachten Finanzierungskosten nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Arbeit darstellten. Schuldzinsen seien nachträgliche Betriebsausgaben, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet würden, die auch nach Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder Mitunternehmeranteils als Betriebsvermögen anzusehen sei.
Ob die Verbindlichkeit gegenüber den früheren Gesellschaftern zum Betriebsvermögen gehöre, hänge von der Zurechnung der veruntreuten Honorare als Einkünfte ab. Wären die Einnahmen dem Kläger als Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet worden, so stellten auch die Ausgleichzahlungen Sonderbetriebsausgaben dar. Sollten die veruntreuten Honorare hingegen allen Gesellschaftern der GbR entsprechend ihrer Beteiligung zugerechnet worden sein, hinge die Beurteilung der Finanzierungskosten davon ab, ob die Honorarzahlungen unmittelbar als Betriebseinnahme der Gesellschaft oder als Sonderbetriebseinnahme des Klägers zu behandeln seien.
Eine Betriebseinnahme der Gesellschaft liege vor, wenn das Konto, auf das die Honorarzahlungen geleistet worden seien, ein Konto der Gesellschaft gewesen sei. Aus der Sicht des Klägers wäre die Schadenersatzverpflichtung dann nicht durch den Betrieb im Rahmen der Mitunternehmerschaft, sondern privat veranlasst. Gleiches gelte für die Finanzierung der Schadenersatzleistungen. Anders sei es, wenn die Honorarzahlungen auf ein Konto des Klägers geleistet worden wären. In diesem Fall hätten die Mitgesellschafter Ausgleichsansprüche gegen den Kläger aus dem Gesellschaftsverhältnis, deren Finanzierung der mitunternehmerischen Betätigung des Klägers zugerechnet werden könnte. Den Feststellungen des FG lasse sich die Behandlung der veruntreuten Honorare nicht sicher entnehmen.
Die betriebliche Veranlassung der Schuldzinsen folge nicht bereits aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zum Zwei-Konten-Modell. Würden aus vom Gesellschafter aufgenommenen Darlehen stammende Mittel für betriebliche Zwecke der Personengesellschaft oder für betriebliche Aufwendungen im Sonderbetriebsbereich verwendet, seien die dem Gesellschafter entstehenden Darlehenszinsen als Sonderbetriebsausgaben zu behandeln. Vorliegend stehe aber noch nicht fest, ob der Kläger aus dem Kredit Sonderbetriebsausgaben oder privat veranlasste Zahlungen geleistet habe.
Hinweis
Welche Gewinnauswirkung die Unterschlagung durch einen Gesellschafter hat, ist nicht leicht verständlich. Außerdem werden dazu verschiedene Meinungen vertreten (vgl. etwa Groh, DB 1995, 844, einerseits und Reiß in Kirchhof/Söhn, EStG, § 15 RdNrn. E 161 ff., andererseits). Der BFH folgt keiner klaren Linie. Grundsätzlich unterscheidet er danach, ob durch die Unterschlagung Gewinnrealisierung beim Gesellschafter eintritt oder ob Geld aus dem Gesellschaftsvermögen unterschlagen wird.
Im letzteren Fall, dem "Griff in die Kasse", ergibt sich aus der Unterschlagung keine Betriebseinnahme für den Gesellschafter. Der Fall ist ebenso zu lösen wie die Unterschlagung durch einen Angestellten (dazu BFH-Urteil vom 6.5.1976 IV R 79/73, BStBl II 1976, 560...