Kommentar
Der EuGH hatte mit Urteil v. 9.10.2014 in der Rechtssache C-326/12 "van Caster und van Caster" entschieden, dass § 6 InvStG an das Unionsrecht anzupassen ist.
Dem Steuerpflichtigen, der Anteile an einem ausländischen Investmentfonds gezeichnet hat, sei die Möglichkeit einzuräumen, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen sich die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachweisen lässt.
Der Inhalt, die Form und das Maß an Präzision, denen die Angaben genügen müssen, um in den Genuss der transparenten Besteuerung zu kommen, müssten von der Finanzverwaltung bestimmt werden, um dieser die ordnungsgemäße Besteuerung zu ermöglichen. Daher kommt die Möglichkeit einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht in Betracht. Das BMF hatte dies bereits in seinem ausführlichen Schreiben vom 4.2.2015 aufgegriffen, präzisiert und die Anforderungen an diesen Nachweis bestimmt.
Mit dem vorliegenden BMF-Schreiben vom 28.7.2015 hebt das BMF das Schreiben vom 4.2.2015 wieder auf und beschränkt die Möglichkeit des Nachweises der tatsächliche Höhe der Einkünfte auf Beteiligungen an EU-/EWR Investmentfonds.
Das BMF ergänzt also sein ursprüngliches zur Umsetzung des Urteils des EuGH zur Europarechtswidrigkeit der Pauschalbesteuerung ausländischer Investmentfonds ergangenes Schreiben vom 4.2.2015. Die Abstandnahme von der Pauschbesteuerung ist demnach überhaupt nur bei Erträgen aus EU-/EWR-Investmentfonds möglich.
In dem aktualisierten Schreiben wird behördlicherseits lediglich ergänzend klargestellt, dass die Nachweismöglichkeiten bzw. die Abstandnahme von der Pauschbesteuerung nur bei Erträgen aus EU-/EWR-Investmentfonds möglich sind. Im Übrigen ist das aktuelle Schreiben mit der ursprünglichen Verwaltungsanweisung inhaltsgleich.
Anmerkungen
Hintergund für diese Anpassung des BMF-Schreibens vom 4.2.2015 war das in der Zwischenzeit ergangene EuGH-Urteil vom 21.5.2015, Rs. C-560/13 ("Wagner-Raith"), zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Regelung des § 18 Abs. 3 Auslandsinvestmentgesetz (AuslInvestmG).
Das BMF hat geprüft, ob die EuGH-Entscheidung in der Sache "Wagner-Raith" auf die pauschale Besteuerung von Erträgen aus Drittstaatsfonds gemäß § 6 InvStG übertragbar ist. Das BMF führt zu seiner Prüfung aus, dass gemäß Art. 64 Abs. 1 und Art. 63 AEUV (vormals Art. 57 Abs. 1 und Art. 56 EG) die Kapitalverkehrsfreiheit nicht die Anwendung einer durch § 6 InvStG herrührenden Beschränkung auf dritte Länder berühre, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten besteht.
In Bezug auf die Beschränkung im Zusammenhang mit Vorschriften, die die Erbringung von Finanzdienstleistungen betreffen, führt das BMF aus, dass das Tatbestandsmerkmal "Beschränkung auf dritte Länder" aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern nach dem EuGH-Urteil in der Rs. "Wagner Raith" zugunsten der Tatbestandsvariante der Erbringung von Finanzdienstleistungen zu bejahen sein dürfte, da § 6 InvStG dem ehemaligen § 18 Abs. 3 AuslInvestmG stark ähneln würde.
Zu dem Merkmal des Bestehens am 31.12.1993 ist fraglich, ob die von der Vorschrift des § 6 InvStG auf dritte Länder ausgehenden Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit bereits am 31.12.1993 bestanden. § 6 InvStG ist mit dem Investmentmodernisierungsgesetz (InvModG) zum 1.1.2004 in Kraft getreten. Aus der Gesetzesbegründung des InvModG gehe laut dem BMF klar hervor, dass § 6 InvStG der Regelung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nachgebildet sei und wie § 18 Abs. 3 AuslInvestmG eine pauschale Besteuerung vorsehe: Nach § 6 InvStG sind die Ausschüttungen und 70 % der Wertsteigerung des Anteils im Kalenderjahr anzusetzen, mindestens 6 % vom letzten Rücknahmepreis.
Nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sind die Ausschüttungen und 90 % der Wertsteigerung des Anteils im Kalenderjahr anzusetzen, mindestens 10 % vom letzten Rücknahmepreis. Während in § 18 Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG eine weitere Pauschalbesteuerung im Falle der Rückgabe der Anteile in Höhe von 20 % des Entgelts vorgesehen war, enthält § 6 InvStG eine solche Regelung nicht. Zwar bestand die Vorschrift des § 6 InvStG selbst noch nicht am 31.12.1993. Es würde aber ausreichen, wenn die Beschränkung zu diesem Zeitpunkt schon "Teil der Rechtsordnung war". Dies wäre der Fall, wenn eine Vorgängervorschrift, hier wohl allein in Betracht kommend die Regelung des § 18 Abs. 3 AusInvestmG, bestand, von der die gleichen oder zumindest gleichartige, bzw. wie die folgenden Zitate zeigen, noch größere, Beschränkungen ausgingen. Da beide Vorschriften nicht identisch sind, ist zudem von besonderer Bedeutung, welche Auswirkungen die materiellen Änderungen des § 6 InvStG gegenüber der Vorgängerregelung auf die Anwendung der Stillhalte-Klausel haben.
Das B...