Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Seit dem 1.1.2004 sind die Aufwendungen für ein Erststudium nicht mehr in voller Höhe, sondern nur beschränkt bis höchstens 4.000 EUR pro Kalenderjahr als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 12 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die am 21.7.2004 erlassene Regelung ist verfassungsgemäß. Auf Grund der bis zur Entscheidung des BFH vom 26.7.2006 (VI R 63/05) bestehenden Rechtsunsicherheit konnten die Steuerpflichtigen nicht mehr darauf vertrauen, dass die alte Rechtslage, nach der die Studienkosten als Erwerbsaufwendungen anerkannt und somit voll abzugsfähig waren, weiterhin Bestand haben würde.
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Juli 2004 das Fachabitur erworben und im Wintersemester 2004/05 ein Studium an einer Fachhochschule begonnen. Dieses Studium fand nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Die Studienkosten machte der Kläger in seinen Steuererklärungen 2004 und 2005 als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen jedoch nur bis zum Höchstbetrag von 4.000 EUR pro Jahr. Nach Auffassung des Finanzamts handelt es sich bei dem Studium nicht um eine weitere Ausbildung, sondern um ein Erststudium. Infolge der Gesetzesänderung zum 1.1.2004 unterliegen die Studienkosten dem beschränkten Sonderausgabenabzug gemäß § 12 Nr. 5 EStG. Die gegen die Steuerbescheide erhobenen Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab. Bei dem Fachhochschulstudium des Klägers handelt es sich um ein Erststudium, dessen Kosten seit dem 1.1.2004 in den Bereich der privaten Lebensführung fallen und nur beschränkt abzugsfähig sind. Es kommt nicht darauf an, ob das Studium im Anschluss an den Erwerb eines Schulabschlusses (z.B. Abitur) oder nach dem Abschluss einer Berufsausbildung aufgenommen wird. Ursache für die Gesetzesänderung war die neue Rechtsprechung des BFH zur Abzugsfähigkeit von Studienkosten als Erwerbsaufwendungen und die daraus resultierenden Steuerausfälle für den Fiskus. Im Juli 2006 entschied der BFH, dass Kosten für ein Erststudium in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig sind. Diese Entscheidung betrifft die bis zum 31.12.2003 geltende Rechtslage. Die am 21.7.2004 rückwirkend zum 1.1.2004 beschlossene Gesetzesänderung widerspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot. Das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Fortbestand der bisherigen Rechtlage ist nur dann geschützt, wenn die Rechtslage klar ist. Diese Voraussetzung lag jedoch im Streitfall nicht vor. Hinzu kommt, dass der Kläger sein Studium erst nach der beschlossenen Gesetzesänderung begonnen hat, so dass ihm bei Aufnahme des Studiums die neue Rechtslage bekannt war.
Hinweis
Aufwendungen für ein Erststudium sind seit dem 1.1.2004 nur bis zum Höchstbetrag von 4.000 EUR jährlich als Sonderausgaben abzugsfähig. Der Abzug als Erwerbsaufwendungen kommt nicht in Betracht. Die steuerliche Rückwirkung der Neuregelung in §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG ist nach Ansicht des FG verfassungsgemäß, da die Rechtslage bis zur Entscheidung des BFH vom 26.7.2006 umstritten war. Beim BFH wurde allerdings mittlerweile Revision eingelegt (Az: VI R 79/06). Die endgültige Entscheidung des BFH bleibt also abzuwarten. Die Entscheidung des FG zeigt jedoch deutlich, welche Anforderungen an das steuerliche Wissen der Betroffenen gestellt werden. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger einen steuerlichen Berater, von dem detaillierte Kenntnisse über ungeklärte Rechtsfragen und anhängige Verfahren zu erwarten sind. Fraglich ist jedoch, ob dieselben Anforderungen auch bei Steuerpflichtigen gelten, die sich nicht steuerlich beraten lassen, sondern ihre Steuerplanung und ihre Steuererklärungen selbst machen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2006, 1 K 115/06