Leitsatz
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 36 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) auch insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt, als er § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes i.d.F. dieses Gesetzes auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12.12.2001 verbindlich beschlossen wurden und die der direkt oder mittelbar über ein inländisches Wertpapier-Sondervermögen mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.
Normenkette
§ 8 Nr. 5, § 36 Abs. 4 GewStG i.d.F. des UntStFG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine der KSt und der GewSt unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Jahr 2001 (Streitjahr) war die Klägerin unter anderem an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften mit Beteiligungsquoten von jeweils weniger als 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt. Von diesen Gesellschaften erhielt sie im Streitjahr Dividenden. Diese flossen der Klägerin überwiegend vor dem 12.12.2001 zu, i.H.v. … DM (Ausschüttung der X) erst am 12.12.2001.
Des Weiteren war die Klägerin an verschiedenen Investmentfonds beteiligt, von denen sie im Streitjahr ebenfalls Ausschüttungen erhielt. Die Fondsausschüttungen beruhten i.H.v. insgesamt … DM auf Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften, an denen die Investmentfonds zu weniger als 10 % beteiligt waren. Diese Ausschüttungen flossen der Klägerin überwiegend vor dem 12.12.2001 zu, i.H.v. … DM (Ausschüttung des Y‐Fonds mit darin enthaltenen, dem Fonds vor dem 12.12.2001 zugeflossenen Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften von … DM) am 12.12.2001.
Die Klägerin reichte im Jahr 2002 die GewSt-Erklärung für den Erhebungszeitraum 2001 ein und wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß veranlagt.
Mit Antrag vom April 2004 übte die Klägerin in einer geänderten GewSt-Erklärung für das Streitjahr das mit dem sog. Korb-II-Gesetz vom 22.12.2003 für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen geschaffene sog. Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 KStG dahin gehend aus, dass § 8b Abs. 8 KStG in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. niedergelegten Fassung bereits für die Erhebungszeiträume 2001 bis 2003 gilt. Die Ausübung des Wahlrechts hatte zur Folge, dass unter anderem für das Streitjahr rückwirkend anstatt der gesamten Dividendenbezüge aus den ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen der Klägerin nur 20 % dieser Dividendenbezüge bei der Ermittlung des für die KSt maßgeblichen Gewinns nicht zu berücksichtigen sind.
Im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags legte das FA gemäß § 7 Satz 1 GewStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung des UntStFG) im Ausgangspunkt den nach den Vorschriften des KStG zu ermittelnden Gewinn zugrunde. In Anwendung des § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG rechnete das FA diesem Ausgangsbetrag jedoch jene 20 % der der Klägerin zugeflossenen Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften, die bei der Ermittlung des körperschaftsteuerrechtlichen Gewinns nach § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 8 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. außer Ansatz zu bleiben hatten, wieder hinzu. Auf dieser Grundlage stellte das FA den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin zum 31.12.2001 gesondert fest.
Die Klägerin hält die durch § 36 Abs. 4 GewStG angeordnete Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG bereits ab dem Erhebungszeitraum 2001 wegen Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) für verfassungswidrig, soweit von der Hinzurechnung auch Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an die Klägerin oder die Investmentfonds erfasst werden, die bis zum 11.12.2001 (Zeitpunkt der Vermittlungsempfehlung bezüglich § 8 Nr. 5 GewStG im Gesetzgebungsverfahren) erfolgt sind.
Das FG gab der Klage aus unionsrechtlichen Gründen statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.1.2018, 6 K 145/16, Haufe-Index 11659051, EFG 2018, 1041).
Entscheidung
Der BFH hat das – vom FA angestrengte – Revisionsverfahren ausgesetzt und das BVerfG angerufen.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung ist juristisch bedeutsam, weil die Verfassungswidrigkeit einer gewerbesteuerrechtlichen Regelung im Raum steht. Allerdings ist die praktische Bedeutung eher gering, weil die verfassungsrechtliche Problematik lediglich Altfälle des Jahres 2001 betrifft.
2. Der Kern des Problems liegt darin, dass der Gesetzgeber die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewSt im Dezember 2001 mit Rückwirkung für den gesamten Erhebungszeitraum 2001 eingefügt hat (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001). Hierdurch kam es zu einer belastenden Hinzurechnung von Dividenden aus Streubesitz bei der Ermittlu...