Leitsatz
1. Die Besteuerung der Altersrenten mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist verfassungsmäßig, sofern nicht gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen wird (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
2. Mit einem Vorbringen, das sich gegen die Richtigkeit des Urteils des BVerfG vom 6.3.2002, 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) richtet, kann eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung des AltEinkG nicht erreicht werden.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG, Art. 3, Art. 100 GG, § 31 BVerfGG
Sachverhalt
Der Kläger und seine 2014 verstorbene Ehefrau E bezogen im Streitjahr 2009 u.a. Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Den steuerfreien Teil der Altersrenten ermittelte das FA gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 ff. EStG. Die hiergegen gerichtete Sprungklage, mit der sie begehrten, ihre Renteneinkünfte lediglich mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG i.H.v. 22 % (Kläger) bzw. von 20 % (E) zu besteuern, blieb erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.10.2014, 15 K 1193/10, Haufe-Index 7954101, EFG 2015, 1439).
Der Kläger machte zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen geltend, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte durch das AltEinkG den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum zur Generalisierung, Typisierung und Vereinfachung überschritten, sodass die Renten folglich auch weiterhin nur mit ihrem Ertragsanteil besteuert werden könnten. Sowohl das BVerfG in seinem Urteil aus dem Jahr 2002 als auch die Rürup-Kommission in ihrem Reformvorschlag seien von falschen tatsächlichen Voraussetzungen und Daten ausgegangen und hätten fehlerhafte Berechnungen vorgenommen. Zudem sei in ihrem Fall gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen worden.
Entscheidung
Da im Streitfall nicht beurteilt werden konnte, ob gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen worden war, weil ausreichende finanzgerichtliche Feststellungen fehlten, wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Hinweis
1. Die Besteuerung der Renteneinkünfte der Eheleute mit dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist verfassungsmäßig. Dies hat der X. Senat bislang immer betont. Er sieht sich in seiner bisherigen Rechtsprechung auch dadurch bestätigt, dass das BVerfG die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden mit drei ausführlich begründeten Beschlüssen nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG, Beschluss vom 29.9.2015, 2 BvR 2683/11, BFH/NV 2016, 367, BStBl II 2016, 310; BVerfG, Beschluss vom 30.9.2015, 2 BvR 1066/10, Haufe-Index 8769346, HFR 2016, 72 und 2 BvR 961/10, BFH/NV 2016, 367, HFR 2016, 77).
2. Argumente gegen die Richtigkeit des BVerfG-Urteils vom 6.3.2002, 2 BvL 17/99 (BFH/NV Beilage 2002, 60, BVerfGE 105, 73) konnten in diesem Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden, da der BFH gemäß § 31 Abs. 1 und 2 BVerfGG an die Entscheidung und die wesentliche Begründung des BVerfG gebunden ist.
3. Sofern gerügt wird, dass der Gesetzgeber, für den die Bindungswirkung des § 31 BVerfGG nicht gilt, das Urteil des BVerfG in BVerfGE 105, 73 zur Rechtfertigung der von ihm normierten Übergangsregelung herangezogen habe, ohne dessen Richtigkeit hinterfragt zu haben, wird verkannt, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, seiner Tätigkeit die Rechtsprechung des BVerfG zugrunde zu legen.
Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue bedingt zudem, dass der Gesetzgeber die vom BVerfG festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen darf. Es bedarf vielmehr besonderer Gründe, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können. Solche Gründe sind indes nicht erkennbar.
4. Damit dürfte es für die Steuerpflichtigen wenig erfolgsversprechend sein, sich grundsätzlich gegen die Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte zu wenden. Mehr Chancen bietet die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbesteuerung, dessen große Bedeutung sowohl vom BVerfG als auch vom BFH betont wird.
5. Wie die Doppelbesteuerung zu ermitteln ist, hat der BFH zwischenzeitlich – wenn auch noch nicht abschließend – herausgearbeitet. Danach liegt eine doppelte Besteuerung vor, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der darauf beruhenden Altersrenten. In die Berechnung der steuerlichen Entlastung der Renten sind die bislang vereinnahmten sowie die zum Zeitpunkt des Bezugsbeginns der Rente der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige kurze Zeit nach dem Rentenbeginn verstirbt. In einem solchen Fall verwirklicht sich das typische Rentenrisiko; während bei einem Teil d...