Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
§§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 37d Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) beinhalten eine zulässige unechte Rückwirkung, soweit danach im Jahr 2006 entstandene negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Steuerstundungsmodell, das der Steuerpflichtige am 20.12.2005 gezeichnet hat, der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterliegen.
Normenkette
§ 15b, § 52 Abs. 37d EStG
Sachverhalt
Der Kläger beteiligte sich am 20.12.2005 als Treugeber mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 900.000 EUR an einer KG, die zum Verfahren beigeladen wurde. Unternehmenszweck der Beigeladenen war das Halten und Verwalten einer von der Y‐Bank emittierten Schuldverschreibung mit einem festen, jährlich zahlbaren Zins und einer Bonusverzinsung, die am Ende der Laufzeit vergütet wurde ("Asset Linked Note"). Die Laufzeit der "Asset Linked Note" reichte vom 22.12.2005 bis zum 21.12.2012. Der Festzins betrug 2,6 % p.a., zahlbar jährlich nachschüssig jeweils am 22.12. eines Jahres. Am 21.12.2012 wurden ein einmaliger Festzins i.H.v. 10,2057 % sowie ein Bonuszins i.H.v. mindestens 2,33 % auf den Nominalbetrag der "Asset Linked Note" gezahlt.
Zur Finanzierung seiner Einlage nahm der Kläger bei der Y‐Bank ein Darlehen i.H.v. 900.000 EUR auf. Die auf den Kläger jährlich entfallenden Zinsen aus der "Asset Linked Note" wurden vollständig für die Tilgung der Darlehenszinsen verwendet. Zur Finanzierung der Zinsdifferenz machte er von dem Angebot der Inanspruchnahme eines zusätzlichen Darlehens Gebrauch. Im Streitjahr entrichtete der Kläger Darlehenszinsen i.H.v. insgesamt 30.130 EUR. Die anteilig auf ihn entfallenden Zinsen aus der "Asset Linked Note" beliefen sich auf 23.400 EUR.
Mit Bescheid vom 22.10.2007 stellte das FA die Einkünfte der Beigeladenen aus Kapitalvermögen gesondert und einheitlich fest. Damit verbunden wurde die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG für die Anleger. Für den Kläger wurde ein verrechenbarer Verlust i.H.v. 6.730 EUR festgestellt. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.4.2018, 10 K 201/17, Haufe-Index 12089183, EFG 2018, 1947).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid über die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG rechtmäßig ist.
Hinweis
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens war allein die Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 EStG. Denn der Kläger hat die Höhe der für ihn festgestellten (anteiligen) Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht angegriffen. Er war auch klagebefugt, da die Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b Abs. 1 EStG im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 15b Abs. 4 Sätze 1 und 5 EStG ihn als Feststellungsbeteiligten persönlich angeht (§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO).
2. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht unmittelbar als Kommanditist, sondern mittelbar über die Treuhandkommanditistin als Treugeber an der KG beteiligt war. Denn über die Anwendung des § 15b EStG wurde nicht auf der Ebene der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus der Gesellschaft, sondern auf Ebene der Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG entschieden. Die Frage nach dem Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b Abs. 2 EStG kann nur anlegerbezogen, d.h. unter Berücksichtigung der von dem jeweiligen Anleger in Anspruch genommenen Fremdfinanzierung und des Zeitpunkts seines Beitritts zur Beigeladenen, beantwortet werden.
3. Die Anlage des Klägers fällt in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 15b i.V.m. § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878). Die Regelung gilt erstmals für im VZ 2006 erzielte Verluste (§ 52 Abs. 37d Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007). Aus der Verweisung des § 52 Abs. 37d Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2007 auf § 52 Abs. 33a EStG folgt, dass die Regelung nur auf Verluste von Steuerstundungsmodellen anzuwenden ist, denen der Steuerpflichtige nach dem 10.11.2005 beigetreten ist. Beides ist vorliegend der Fall.
4. Die negativen Kapitaleinkünfte des Klägers wurden zu Recht als verrechenbare Verluste i.S.d. § 15b Abs. 4 EStG festgestellt, da ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15 Abs. 1 EStG vorlag. Die Anleihebedingungen und die Darlehensverträge waren so aufeinander abgestimmt, dass bezogen auf den Anlagebetrag ein sich bei der Besteuerung des Anlegers in der Anfangsphase der Investition auswirkender Verlust erzielt werden konnte, der erst zum Ende des Investitionszeitraums wieder ausgeglichen wurde. Das streitbefangene Konzept war zudem für eine unbestimmte Vielzahl von Anlegern aufgelegt und nicht einer individuellen Anpassung durch den einzelnen Anleger zugänglich. Dementsprechend beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers darauf, einer bereits fertig konzipierten und bestehen...