Leitsatz
1. Tätigkeiten einer neu gegründeten Körperschaft, die die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereiten – wie z.B. der Aufbau einer Vereinsorganisation, das Einsammeln von Mitteln zur Erfüllung der Satzungszwecke – reichen aus, um die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu erfüllen. Die Tätigkeiten müssen jedoch ernsthaft auf die Erfüllung eines steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks gerichtet sein. Die bloße Absicht, zu einem unbestimmten Zeitpunkt einen der Satzungszwecke zu verwirklichen, genügt nicht.
2. Zur tatsächlichen Geschäftsführung i.S.d. § 63 Abs. 1 AO gehören alle der Körperschaft zuzurechnenden Handlungen und somit die Tätigkeiten und Entscheidungen, die der Verwirklichung der Satzungszwecke vorausgehen und sie vorbereiten.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG , § 52 Abs. 1 Satz 2 AO , § 58 Nr. 6 AO , § 60 Abs. 2 AO , § 63 AO
Sachverhalt
Der Kläger, ein im Frühjahr 1989 gegründeter Verein, will den Segelsport als Freizeit- und Breitensport sowie als Leistungssport und Fahrtensegeln auf See und Binnengewässern fördern und pflegen. Verwirklicht werden soll dieser Satzungszweck insbesondere durch die Förderung sportlicher Übungen und Leistungen. In den Jahren 1990 bis 1995 (Streitjahre) hatte der Kläger sieben Mitglieder, von denen mindestens sechs miteinander verwandt oder verschwägert waren.
In den Streitjahren führte der Kläger seine im Wesentlichen durch Spenden erlangten Mittel nahezu vollständig einer Rücklage zu, die er zum Erwerb eines Segelboots oder das Chartern von Segelbooten verwenden wollte. Nach den Aufzeichnungen des Klägers über seine Einnahmen und Ausgaben beschränkten sich die Aufwendungen, die mit dem Segelsport unmittelbar in Verbindung gebracht werden konnten, auf geringe Ausgaben für Fachzeitschriften. Grund dafür war nach Angabe des Klägers, dass sich der Verein auch in den Jahren nach 1992 noch in der Aufbauphase befunden habe und die Aufnahme weiterer Mitglieder und die Anschaffung des Boots am Fehlen eines Bootsliegeplatzes gescheitert seien.
Das FA versagte dem Kläger die beantragte Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG, da er seinen Satzungszweck nicht aktiv verwirklicht habe. Einspruch und Klage waren erfolglos (EFG 2002, 1326).
Entscheidung
Der BFH sah dies anders. Einzelheiten lassen sich den Praxis-Hinweisen entnehmen. Allerdings gab er dem FG einige Sachaufklärungshinweise mit auf den Weg, der Ernsthaftigkeit des klägerischen Vorgehens bei seinen vorbereitenden (und im Ergebnis wohl fehlgeschlagenen) Bemühungen nachzugehen und auch die "verdächtigen" familiären Besonderheiten des Streitfalls zu ergründen.
Hinweis
Wollen Sie oder will einer Ihrer Mandanten einen Verein gründen, der einer gemeinnützigen Aktivität nachgehen soll, dann kann (und wird) es sich oftmals so verhalten, dass es einige Zeit dauert, bis die angepeilte Zwecksetzung auch tatsächlich umgesetzt wird. Es müssen zuvor regelmäßig erst die dafür notwendigen Strukturen und Voraussetzungen geschaffen werden. Möglicherweise dauert das dem FA zu lange, so dass es die zunächst vorläufig attestierte Gemeinnützigkeit widerruft und Körperschaftsteuerpflicht annimmt.
Der BFH erweist sich in diesem Punkt nun als recht großzügig, und das in zweifacher Hinsicht:
Zum einen: Dem neugegründeten Verein sei nicht nur eine angemessene Anlaufzeit zuzugestehen. Jegliche vorbereitende Tätigkeiten reichten aus, um die Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu erfüllen. Erforderlich sei nur, dass das ernsthafte Bemühen ersichtlich werde, den satzungsmäßigen Zweck auch tatsächlich erfüllen zu wollen. Die Tätigkeiten müssen dazu objektiv geeignet sein. Zu denken ist z.B. an den Aufbau der Vereinsorganisation oder das Sammeln von Mitteln zur Erfüllung des Satzungszwecks. Die Körperschaft muss sich aber jederzeit aktiv und nachweisbar bemühen, alsbald die organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung des eigentlichen Zwecks zu schaffen. Ein gewisser angemessener Zeitraum darf also nicht überschritten werden, ohne dass dieser Zeitraum vom BFH spezifiziert und festgelegt würde. Es entscheiden wohl die Einzelfallumstände. Im Urteilsfall wurde eine Zeitspanne von immerhin sechs Jahren(!) akzeptiert.
Zum anderen: In welcher Weise der Verein die erforderlichen Nachweise erbringt, bleibt weitgehend ihm überlassen. Das kann durch jeglichen Schriftverkehr, durch Notizen u.Ä. geschehen. Der üblichen Forderung des FA nach der Vorlage detaillierter Geschäfts- oder Tätigkeitsberichte braucht der Verein nicht nachzukommen. Ein Rechtsgrund dafür lässt sich § 63 Abs. 3 AO nicht entnehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.7.2003, I R 29/02