Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch beim Entschließungsermessen zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Der Antragsteller erzielte gewerbliche Einkünfte aus einem Hotel und einem Restaurant. Im Juni 2012 ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung an und verlangte diverse Unterlagen. Die Prüfung erfolgt an Amtsstelle. Zu Beginn der Prüfung wurden dem Finanzamt 3 Umzugskartons mit Unterlagen übergeben. Im Rahmen der Prüfung wurden weitere Auskünfte und Unterlagen angefordert. Nach einer Fristverlängerung drohte das Finanzamt die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes an. Nach Ansicht des Steuerberaters sei der Antragsteller vollständig kooperationsbereit gewesen . Ende Februar 2013 setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld von EUR 2.500 fest, Anfang März 2013 wurden die angeforderten Unterlagen übersandt. Gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes legte der Antragsteller Einspruch ein, da seiner Ansicht nach das Ermessen des Finanzamts bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes nicht richtig ausgeübt worden sein. Schließlich sei hier die Frist nur um 6 Tage überschritten worden.
Entscheidung
Der Antrag hatte Erfolg. Auch nach der Ansicht des FG bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verzögerungsgeldes. Zwar seien die formellen und tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Gleichwohl müsse darüber hinaus stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anwendung finden. Dies gelte auch bereits auf der Ebene des Entschließungsermessens. Zu dieser Frage habe sich das Finanzamt aber nicht ausreichend geäußert, insbesondere nicht dazu, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit dem Zweck des Verzögerungsgeldes und der Länge der Fristüberschreitung im Einzelfall in Einklang zu bringen sei.
Hinweis
Seit seiner Einführung ist das Verzögerungsgeld Gegenstand der Diskussion in der Literatur und in der Rechtsprechung. Diese Entscheidung des FG reiht sich in die Entscheidungen der FG (vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 19.5.2011, 13 K 13246/10, EFG 2011, 846; FG Hessen v, 8.8.2011, 8 V 1281, 11, EFG 2011, 1945) und des BFH (vgl. BFH v. 16.6.2011, IV B 120/10, BStBl. II 2011, 855; BFH v. 28.8.2012, I R 10/12, BStBl. II 2013, 266) ein, die erfreulicher Weise eine enge Auslegung der Norm als zutreffend ansehen. Das Schleswig-Holsteinische FG kommt dabei zu der Erkenntnis, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht erst auf der Ebene des Auswahlermessens anzuwenden ist, also die Frage betrifft, in welcher Höhe ein Verzögerungsgeld festzusetzen ist, sondern bereits auf der Ebene des Entschließungsermessens zu prüfen ist. Dies hat zur Folge, dass ein Verzögerungsgeld nur in wesentlichen Fällen Anwendung finden darf.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 25.09.2013, 2 V 102/13