Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) waren bis Ende 2016 nur unternehmerisch tätig, insoweit sie einen Betrieb gewerblicher Art unterhielten. Zum 1.1.2017 kam dann die formal schon zum 1.1.2016 in Kraft gesetzte Neuregelung des § 2b UStG zur Anwendung, nach der sich jPöR unter vergleichbaren Bedingungen – wie andere Unternehmer auch – der Umsatzbesteuerung unterwerfen müssen, zumindest dann, wenn eine Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Allerdings war noch eine antragsgebundene Übergangsregelung bis Ende 2020 beschlossen worden, nach der jPöR bis Ende 2016 den Antrag stellen konnten, noch weiterhin nach den bisherigen Regelungen behandelt zu werden. Diese eigentlich Ende 2020 auslaufende Übergangsregelung war dann – offiziell mit der Corona-Pandemie begründet – nochmals um 2 Jahre verlängert worden. Damit hätten sich eigentlich alle jPöR ab dem 1.1.2023 den unionsrechtlich gebotenen Vorgaben zur Umsatzbesteuerung unterwerfen müssen.
Im Rahmen der Beratungen zum Jahressteuergesetz 2022 ist dann – ziemlich überraschend und sehr kurzfristig – noch eine erneute Verlängerung der Übergangsregelung in § 27 Abs. 22a UStG um weitere 2 Jahre – also bis Ende 2024 – vorgenommen worden.
Da offensichtlich aufgrund der kurzfristigen Verlängerung der Übergangsregelung bei einigen jPöR zum 1.1.2023 angestoßene Prozesse nicht mehr kurzfristig änderbar waren, hat die Finanzverwaltung 2 Nichtbeanstandungsregelungen erlassen, die sowohl die jPöR, aber auch den Leistungsempfänger betreffen:
Hat die jPöR, die weiterhin die Übergangsregelung entsprechend § 2 Abs. 3 UStG anwendet, in einer Rechnung gesondert Umsatzsteuer ausgewiesen, obwohl unter Anwendung von § 2 Abs. 3 UStG kein im Rahmen des Unternehmens ausgeführter Umsatz vorlag, wird die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet. Der Leistungsempfänger ist aus Gründen der Praktikabilität unter den weiteren Voraussetzungen aber zum Vorsteuerabzug für diese gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer berechtigt.
Der Vorsteuerabzug ist aber auf den Betrag begrenzt, den die jPöR schulden würde, wenn sie § 2b UStG schon anwenden würde.
Auf die Festsetzung und Abführung der in diesen Übergangsfällen unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer kann verzichtet werden, wenn für die die Rechnung ausstellende jPöR eindeutig feststeht, dass die Rechnung nicht für Zwecke verwendet werden kann, die einen Vorsteuerabzug ermöglichen.
Grundsätzlich besteht für die jPöR aber kein Recht auf einen Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen im Zusammenhang mit unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer, unabhängig davon, ob sie unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer abführen muss oder nicht.
Da es sich aber nur um ein temporäres Problem aufgrund der sehr kurzfristigen Verlängerung der Übergangsregelung handelt, gilt die Nichtbeanstandungsregelung bis zum Ablauf des Folgemonats nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens – also bis Ende März 2023.
Konsequenzen für die Praxis
Eigentlich war erwartet worden, dass ab dem 1.1.2023 die Vorschriften des § 2b UStG nunmehr für alle jPöR gelten würden. Die erneute Verlängerung der Übergangsregelung des § 27 Abs. 22 und Abs. 22a UStG kam auch für die jPöR überraschend und wurde innerhalb weniger Tage kurz vor finaler Beschlussfassung zum Jahressteuergesetz 2022 eingebracht.
Zumindest bei den jPöR, die sich auf die Umstellung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen ausreichend vorbereitet hatten, die aber dennoch aus wirtschaftlichen Gründen die Verlängerung der Übergangsregelung in Anspruch nehmen wollten, konnten teilweise in der Kürze der Zeit die Prozesse nicht angepasst werden, sodass es zu unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer gekommen ist. Deshalb ist es konsequent, nachdem die – zumindest aus unionsrechtlicher Sicht bedenkliche – erneute Verlängerung der Übergangsregelung umgesetzt wurde, hier nicht die jPöR und deren Vertragspartner umsatzsteuerrechtlich "zu bestrafen", die sich den Vorgaben entsprechend auf die Veränderung vorbereitet hatten.
Merkwürdig mutet es in dem BMF-Schreiben allerdings an, dass die Finanzverwaltung die Beurteilung, ob eine mit (unberechtigt ausgewiesener) Umsatzsteuer erstellte Rechnung beim Leistungsempfänger für Zwecke verwendet werden kann, die einen Vorsteuerabzug ermöglichen, der jPöR überlässt. Regelmäßig sollten eigentlich die Besteuerungsgrundlagen und die Folgen aus umsatzsteuerrechtlichem Handeln der Kontrolle und Beurteilung der Finanzbehörden unterliegen und nicht der subjektiven Beurteilung des Steuerpflichtigen überlassen werden.
Die Finanzverwaltung hätte hier die Chance gehabt, sich auch grundsätzlich zur Frage der zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteuer zu äußern. Zumindest nach einer neueren Entscheidung des EuGH kann eine zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nur dann geschuldet werden, wenn dies auch zu einer "Gefährdung des Steueraufkommens" führt. Eine Anpassung der bisherigen nationalen Sichtweise zu § 14c UStG ist damit notwendig.
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