Leitsatz
Wird der Vorstand eines gemeinnützigen Vereins satzungsgemäß für diesen "ehrenamtlich" tätig, ist er regelmäßig verpflichtet, seine Tätigkeit unentgeltlich auszuüben. Dennoch gezahlte Tätigkeits- und Aufwandsvergütungen stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar und verstoßen gegen das Gebot der Selbstlosigkeit. Dies führt zum Verlust der Gemeinnützigkeit des Vereins.
Normenkette
§ 55 AO , § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Es handelt sich um einen AdV-Beschluss. Beschwerdeführer war ein Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck die Förderung der Wissenschaft, Forschung und Fortbildung auf dem Gebiet der Akupunktur und der Aurikulomedizin ist. Er war als gemeinnützig anerkannt. Da der 1. Vorsitzende des Vereins, ein Arzt, aber beträchtliche Vergütungen (Aufwandsentschädigungen, Ersatz von Verdienstausfall) erhielt, obwohl er satzungsgemäß "ehrenamtlich" tätig sein sollte, sah das FA einen Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit gem. § 55 AO.
Entscheidung
Der BFH sah das ebenso und wies die Beschwerde insoweit zurück. Im Einzelnen ergibt sich die Begründung aus den Praxishinweisen.
Hinweis
Es handelt sich "nur" um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – aber durchaus eines mit gewisser Brisanz. Denn häufig werden vorgeblich gemeinnützige Vereine gegründet und gewissermaßen "instrumentalisiert", um eigentlich durchaus eigennützige Motive der Vereinsgründer und -initiatoren durchzusetzen. Der Verein wird dann durch die Personen, die für diesen verantwortlich agieren, beträchtlich "ausgebeutet" und als probate Einnahmequelle benutzt.
1. Im Beschlussfall war dies ein Verein, der sich der Förderung der Wissenschaft, Forschung und Fortbildung auf dem Gebiet der Akupunktur und der Aurikulomedizin verschrieben hatte. Er war als gemeinnützig anerkannt. Das FA hatte dann aber doch Zweifel an der Selbstlosigkeit des Vereins, weil sein 1. Vorsitzender, ein Arzt, überhöhte Vergütungen für seine Tätigkeit vereinnahmt habe. Diese Vergütungen setzten sich aus einer "Aufwandsentschädigung" und aus einer Verdienstausfallentschädigung zusammen. Letztere wurde für den Verzicht des Arztes auf freiberufliche Gewinne gezahlt. Insgesamt zahlte ihm der Verein 144 000 DM jährlich. (Gleiches geschah im Übrigen für drei weitere Vereine, denen der Arzt gleichermaßen vorstand.)
2. Der BFH teilt die Bedenken des FA, und zwar mit einer recht schlicht anmutenden Argumentation: Nach der Vereinssatzung solle der Vorsitzende "ehrenamtlich" tätig sein, und das bedeute bei richtiger Betrachtungsweise: er müsse sein Amt unentgeltlich wahrnehmen. Bei allem, was gezahlt worden sei, handele es sich deshalb um vGA, für die bei Vereinen unter im Grundsatz gleichen Voraussetzungen auszugehen sei, wie bei Kapitalgesellschaften.
3. Die Gleichstellung von Ehrenamtlichkeit und Unentgeltlichkeit ist, darauf sollten Sie achten, natürlich nicht ganz zwingend. Auch der BFH räumt ein, dass die Vereinssatzung einem ehrenamtlich Tätigen durchaus eine Aufwandsentschädigung zahlen dürfe. Nur: Es bedarf dazu einer entsprechenden definitiven Satzungsklausel. Fehlt eine solche aber, muss nach Ansicht des BFH davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Vereinsvorstand an den satzungsgemäß ehrenamtlich tätigen Vorsitzenden keine Leistungen erbringen werde. Geschieht dies dennoch, handelt es sich hierbei um eine vGA, unabhängig davon, ob die einzelne Zahlung ihrer Höhe nach zu beanstanden ist oder nicht. Zugleich verliert der Verein seinen Status als gemeinnützig, weil ihm die Selbstlosigkeit fehlt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 8.8.2001, I B 40/01 (NV)