Im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen hatte die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn für den Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte bedeutete und hatte geregelt, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen (insbesondere nach § 10d EStG) im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden durften. Laut BFH verstößt die Finanzverwaltung mit dem obigen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Finanzverwaltung hat nach dem Erlass der Entscheidung des BFH reagiert und Regeln aus Gründen des Vertrauensschutzes aufgestellt. Der Sanierungserlass, der nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH v. 28.11.2016 gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, ist auch in Altfällen nicht anzuwenden.
Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 27.6.2017 (RübStG) wurden § 3a, § 3c Abs. 4 EStG als neue Vorschriften zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen eingeführt.
EU-Kommission und Inkrafttreten von §§ 3a und 3c Abs. 4 EStG
Nach Art. 6 Abs. 2 des RÜbStG sollten die das Sanierungsprivileg betreffenden Vorschriften erst an dem Tag in Kraft treten, an dem die EU-Kommission durch Beschluss feststellt, dass diese Regelungen entweder keine staatliche Beihilfen i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen sind. Nach Prüfung hat die EU-Kommission in einem sog. "Comfort Letter" vom 20.7.2018 erklärt, dass für die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen keine Notifizierungspflicht besteht, da es sich um eine Bestandsschutz genießende Altbeihilfe handelt.
Mit Art. 15 a des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018 hat der Gesetzgeber schließlich den Vorbehalt für das Inkrafttreten der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen aufgehoben und die entsprechenden Neuregelungen in Kraft gesetzt.
Gem. § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG findet die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rückwirkend auf Fälle Anwendung, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH) erlassen wurden. Für Altfälle, in denen Schulden insgesamt vor dem 9.2.2017 erlassen worden sind, finden auf Antrag des Steuerpflichtigen die Regelungen des § 3a EStG gem. § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG ebenfalls Anwendung.
Die gesetzliche Neuregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rechtfertigt es nicht, in Altfällen Sanierungsgewinne im Wege des Erlasses steuerfrei zu stellen.
Der BFH muss klären, ob ein Antrag auf Freistellung eines Sanierungsertrags nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG in einem sog. Altfall (Schulderlass vor dem 9.2.2017) als rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zum erneuten Anlaufen der Festsetzungsfrist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO führt.
Die für eine Steuerbefreiung von Sanierungserträgen nach § 3a EStG u. a. erforderliche Sanierungsabsicht setzt in jedem Fall den Nachweis voraus, dass der Gläubiger den Schuldenerlass auch mit dem Ziel der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens ausgesprochen hat. Ausschließlich eigennützige Motive sind insoweit nicht ausreichend.