BMF, Schreiben v. 30.11.2007, IV C 4 - S 2225/07/0004
Bezug: Sitzung ESt V/07 zu TOP 17
Der BFH hat mit den Urteilen vom 1.3.2006, XI R 33/04 (BStBl 2007 II S. 919) und vom 2.8.2006, XI R 65/05 (BStBl 2007 II S. 921) entschieden, dass der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG nicht entgegensteht, dass für den Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung kein Einkommensteuerbescheid ergangen war und auch nicht mehr ergehen konnte. Nach den Urteilen können Verluste auf Grund des § 181 Abs. 5 AO noch gesondert festgestellt werden, soweit die Feststellung für eine Steuerfestsetzung oder eine andere Feststellung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dies ist bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags wegen der Auswirkungen auf Einkommensteuerfestsetzungen künftiger Veranlagungszeiträume der Fall.
Durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl 2006l S. 2878, BStBl 2007l S. 28) ist der Lauf der für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG geltenden Feststellungsfristen neu geordnet worden. Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 1. Halbsatz EStG endet die Verlustfeststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung abgelaufen ist. Nach dem 2. Halbsatz dieser Vorschrift ist § 181 Abs. 5 AO auf die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nicht anwendbar, es sei denn, die zuständige Finanzbehörde hat die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des § 10d Abs. 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 Folgendes:
I. Der verbleibende Verlustvortrag ist auch dann von Amts wegen gesondert festzustellen, wenn eine Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung nicht besteht und kein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gestellt wird. In diesen Fällen kann gleichwohl ein verbleibender Verlustvortrag zum Zweck der gesonderten Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG erklärt werden. Die Erklärungen sind auch in diesem Fall nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (§ 181 Abs. 1i.V.m. § 150 Abs. 1 AO und § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c EStG. Der für die Einkommensteuererklärung vorgesehene Vordruck ist zugleich Vordruck für eine Erklärung des verbleibenden Verlustvortrags. Die isolierte Feststellungserklärung muss die Angaben enthalten, die zur Ermittlung des verbleibenden Verlustvortrags erforderlich sind.
Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für das Verfahren zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG (Verlustfeststellung) die Regeln über die Festsetzungs-/Feststellungsfrist sinngemäß.
Da für die Verlustfeststellung eine allgemeine Erklärungspflicht nach § 181 Abs. 1 Satz 2i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO besteht, ist die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu beachten. Dies gilt auch in den Fällen, in denen keine Erklärungspflicht für die Einkommensteuer besteht (z.B. in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG).
Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 1. Halbsatz EStG endet die Verlustfeststellungsfrist nicht, solange die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum, auf dessen Ende der verbleibende Verlustvortrag festzustellen ist, noch nicht abgelaufen ist.
Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG ist § 181 Abs. 5 AO nicht anzuwenden, es sei denn, die zuständige Finanzbehörde hat die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen. Das FA als zuständige Finanzbehörde verletzt seine Pflichten, wenn es über einen innerhalb der Feststellungsfrist im Sinne des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG erklärten Verlust innerhalb dieser Frist keinen Feststellungsbescheid erlässt.
Beispiel:
Der Stpfl. gibt für den Veranlagungszeitraum 01 eine Einkommensteuererklärung im Jahr 02 ab, die eine negative Summe der Einkünfte (Verlust) ausweist. Das FA erlässt einen Einkommensteuerbescheid, der eine Einkommensteuer von 0 Euro festsetzt. Der Verlust kann nur teilweise in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückgetragen werden. Eine Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf das Ende des Veranlagungszeitraums 01 unterbleibt zunächst.
Der Verlustfeststellungsbescheid kann auch nach dem 31.12.06 (= Ablauf der allgemeinen Festsetzungs-/Feststellungsfrist) erlassen werden. Das FA hätte den verbleibenden Verlustvortrag von Amts wegen feststellen müssen. Das Unterlassen der Feststellung eröffnet die Anwendung von § 181 Abs. 5 AO (§ 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG).
II. Nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG ist die Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG auf alle bei In-Kraft-Treten des Jahressteuergesetzes 2007 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen anzuwenden. Dies bedeutet, dass eine in der Vergangenheit angelaufene Feststellungsfrist zunächst unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Vorschriften einschließlich des § 181 Abs. 5 AO zu bes...