Dipl.-Finw. (FH) Anna M. Nolte
10.10.1 Überblick
Nach § 15b EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen und auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Eine Verrechnung mit positiven Einkünften in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle ist zulässig. § 15a EStG ist nicht anzuwenden. Ein Verlustrücktrag ist ausgeschlossen.
§ 15b EStG ist nur auf Verluste der dort bezeichneten Steuerstundungsmodelle anzuwenden, denen der Steuerpflichtige nach dem 10.11.2005 beigetreten ist oder für die nach diesem Zeitpunkt mit dem Außenvertrieb begonnen wurde. § 15b EStG erstreckt sich auch auf Verluste des Sonder(betriebs)vermögens.
§ 15b EStG ist bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer "modellhaften Gestaltung" hinreichend bestimmt.
§ 15b EStG hat § 2b EStG a. F. abgelöst.
10.10.2 Anwendungsbereich
Die Beschränkungsregelung des § 15b EStG gilt auch für andere Einkunftsarten. So nehmen § 13 Abs. 7 EStG, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 20 Abs. 7 EStG, § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG darauf Bezug. Wegen dieser Anwendungsregelungen in allen denkbaren betroffenen Einkunftsarten ist ein Wechsel der Einkunftsart bei einzelnen betroffenen Beteiligungen unerheblich. So spielt es für die Anwendung des § 15b EStG keine Rolle, wenn z. B. ein Medienfondsanteil aus dem Betriebsvermögen entnommen wird.
Die Verrechnungsbeschränkung des § 15b Abs. 1 EStG ist nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase des Stundungsmodells das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 % übersteigt (= Nichtaufgriffsgrenze). Das gilt z. B. auch für Fonds, die nicht primär darauf angelegt sind, ihren Anlegern einen Verlust zuzuweisen. Eine einschränkende Auslegung der Regelung, dass die lediglich verrechenbaren Verluste im Fall ihres Definitivwerdens als abzugsfähige Verluste zu behandeln sind, entspricht nicht der Regelung des § 15b EStG.
§ 15b EStG geht der Anwendung des § 15a EStG sowie als die speziellere Norm der Anwendung des § 15 Abs. 4 EStG vor. Wird eine Beteiligung unentgeltlich erworben, gehen die beim Rechtsvorgänger nach § 15b EStG verrechenbaren Verluste auf den oder die Rechtsnachfolger über.
Bei Gesellschaften und Gemeinschaften ist die Anwendung des § 15b EStG auch anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen. Auch sog. Private Placements werden erfasst. Darunter werden Investitionen einzelner oder eines kleinen Kreises von Anlegern verstanden, wenn diese Investitionen modellhaften Charakter haben. Ein Steuerstundungsmodell im Rahmen von Einzelinvestitionen ist z. B. die mit Darlehen gekoppelte Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag.
Auch bei ausländischen, nach DBA steuerfreien Einkünften ist § 15b EStG vorrangig anzuwenden. Handelt es sich um solche Einkünfte, ist ein negativer Progressionsvorbehalt nicht zu berücksichtigen, wenn die ausländischen Verluste aus einem Steuerstundungsmodell i. S. d. § 15b EStG stammen, da die Höhe der ausländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln ist.
Auf Kapitalgesellschaften ist die Regelung ab dem VZ 2022 ebenfalls anzuwenden.
Unechte Rückwirkung
Der BFH hat entschieden, dass §§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 37d Satz 1 EStG i. d. F. des JStG 2007 eine zulässige unechte Rückwirkung beinhalten, soweit danach im Jahr 2006 entstandene negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Steuerstundungsmodell, das der Steuerpflichtige am 20.12.2005 gezeichnet hat, der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterliegen.